Transkript Sivija Kurtisi

Oktober 15, 2023

Name der interviewten Person Sivija Kurtisi
Geschlecht weiblich
Alter 26
Religion/Glaubenszugehörigkeit Moslem
Herkunftsland Serbien
Herkunftsland der Eltern Serbien
Kürzel
LG/TZ LG

Speaker 1 [00:00:02]

So liebe Silvija, vielen Dank, dass du dem Interview zugestimmt hast. Ich habe dir gerade erklärt, was das genau für ein Forschungsprojekt ist und wofür wir diese Interviews machen. Und du hast auch diese Teilnehmer Informationen von mir bekommen und hast auch das gelesen und auch verstanden, was das genau ist. So, wir fangen an mit dem Interview und zwar geht es heute um deine Lebensgeschichte. Erzähl einfach: wo bist du geboren und von Anfang an.

 

Speaker 2 [00:00:44]

Ich bin in Serbien geboren. Pozarevac. Ich bin 26 Jahre alt. Als ich 16 war, kam ich nach Deutschland. Da habe ich geheiratet. Ich weiß nicht weiter. [lacht]

 

Speaker 1 [00:01:05]

Wo habt ihr gewohnt?

 

Speaker 2 [00:01:07]

Wir haben bei meinen Schwiegereltern gewohnt. Zwei Jahre.

 

Speaker 1 [00:01:11]

Nein, ich meine nicht hier.

 

Speaker 2 [00:01:12]

Also in Serbien?

 

Speaker 1 [00:01:14]

In Serbien. Genau.

 

Speaker 2 [00:01:16]

In Kostolac. 

 

Speaker 1 [00:01:18]

War das eine Roma Siedlung?

 

Speaker 2 [00:01:21]

Ja.

 

Speaker 1 [00:01:22]

Wie heißt das? 

 

Speaker 2 [00:01:22]

Didino Selo. Also Petka. [zustimmendes Geräusch Speaker 1] Aber das heißt so, Didino Selo eigentlich.

 

Speaker 1 [00:01:32]

Leben da nur Roma?

 

Speaker 2 [00:01:37] Ähm, ja.

[kurze Pause] Obwohl es wohnen auch Serben.

 

Speaker 1 [00:01:40]

Ja? Aber nicht so viele? 

 

Speaker 2 [00:01:43]

Nicht so viele. Mehr Roma.

 

Speaker 1 [00:01:47]

Und da bist du geboren, in diesem Haus?

 

Speaker 2 [00:01:52]

Ja. Also von meiner Oma und meinem Opa.

 

Speaker 1 [00:01:56]

Also, ihr habt zusammen mit deinen Eltern bei Oma und Opa gelebt? Aha. Okay. Und deine Kindheit dort in dieser Mahala, wie war das? Erzähl mal!

 

Speaker 2 [00:02:11]

Es war schön. Wir waren auch nicht sehr reich. Wir waren, wie soll ich das sagen? Jeder hat von uns gearbeitet. Wie sagt man jetzt: (serbisch) Njiva?

 

Speaker 1 [00:02:25]

Feld.

 

Speaker 2 [00:02:27]

Ja, wir waren als Kinder auf den Feldern. Wir haben auch gearbeitet.

 

Speaker 1 [00:02:32]

Ihr? 

 

Speaker 2 [00:02:33]

Ja, Ja, meine Schwester. Ich war 12, 13.

 

Speaker 1 [00:02:39]

Okay.

 

Speaker 2 [00:02:43]

Ja.

 

Speaker 1 [00:02:46]

Wie viele Geschwister hast du?

 

Speaker 2 [00:02:48]

Wir sind vier.

 

Speaker 1 [00:02:52]

Vier? Die Älteste?

 

Speaker 2 [00:02:54]

Wie alt die ist? 

 

Speaker 1 [00:02:55]

Ja.

 

Speaker 2 [00:02:57]

  1. Ferida.

 

Speaker 1 [00:03:00]

Deine Schwester. Okay, dann…

 

Speaker 2 [00:03:02]

Dann kam eigentlich eine andere Schwester. Aber die ist gestorben. Die war ein Baby. Dann kam ich, dann meine andere Schwester und mein Bruder.

 

Speaker 1 [00:03:17]

Und in dem Haus, wo ihr gelebt hat, bei deinem Opa und Oma, war dein Papa, deine Mama?

 

Speaker 2 [00:03:26]

Genau.

 

Speaker 1 [00:03:27]

Ihr als Kinder wurdet alle da geboren, in dem Haus?

 

Speaker 2 [00:03:30]

Ja.

 

Speaker 1 [00:03:31]

Okay. Wer war noch da?

 

Speaker 2 [00:03:33]

Äh, mein Opa, meine Oma, mein Onkel, seine Frau und deren Kinder.

 

Speaker 1 [00:03:40]

Wie viele Kinder von denen?

 

Speaker 2 [00:03:42]

Drei.

 

Speaker 1 [00:03:43]

Das heißt, du mit deiner Familie, dein Onkel mit seiner Familie, deine Oma und dein Opa?

 

Speaker 2 [00:03:49]

Ja.

 

Speaker 1 [00:03:50]

Alle in diesem Haus. Wie groß war das Haus? Wie viele Zimmer?

 

Speaker 2 [00:04:00]

Ähm, vier Zimmer. Also nicht sehr groß.

 

Speaker 1 [00:04:05]

Und ein Zimmer hattet du mit deinen Eltern.

 

Speaker 2 [00:04:09]

Jeder hatte sein Zimmer.

 

Speaker 1 [00:04:10]

Der andere Bruder mit seiner Familie, ein anderes Zimmer, ein Zimmer für Oma und Opa, und ein gemeinsames Zimmer?

 

Speaker 2 [00:04:18]

Ja. [lacht] Ja.

 

Speaker 1 [00:04:21]

Okay.

 

Speaker 2 [00:04:22]

Aber es war trotzdem schön.

 

Speaker 1 [00:04:23]

Natürlich.

 

Speaker 2 [00:04:26]

Es gab auch Situationen manchmal, wo es ein bisschen eng war. Ich weiß jetzt nicht, wann das war. Dann haben wir ein Haus, also mein Opa mit meinem Papa zusammen, haben dann ein Haus gebaut für uns. 

 

Speaker 1 [00:04:39]

Neben dem Haus

 

Speaker 2 [00:04:39]

Neben dem Haus von meinem Opa und meiner Oma.

 

Speaker 1 [00:04:44]

Wie alt warst du da?

 

Speaker 2 [00:04:49]

Acht oder neun.

 

Speaker 1 [00:04:53]

Und dann hattet ihr euer eigenes Haus?

 

Speaker 2 [00:04:55]

Genau.

 

Speaker 1 [00:04:57]

Okay. Was hat dein Papa gearbeitet?

 

Speaker 2 [00:05:04]

Der hat überall gearbeitet. Auch in Feldern. [spricht Romanes] Sar vakerlape kanali avri? [Übersetzung: Wie heißt das, Kanal draußen?] Ein Kanal?

 

Speaker 1 [00:05:13]

Ja, Kanalarbeit.

 

Speaker 2 [00:05:13]

Kanalarbeit, so privat in Häuser, streichen, fliesen. Alles Mögliche. Auch auf Baustellen.

 

Speaker 1 [00:05:25]

Und deine Mutter?

 

Speaker 2 [00:05:28]

Als wir zusammengewohnt haben, hat die nicht gearbeitet. Erst als wir unser Haus hatten, dann hat die auch gearbeitet. Mit meinem Papa zusammen.

 

Speaker 1 [00:05:37]

Weil ihr da ein bisschen größer wart.

 

Speaker 2 [00:05:39]

Ja.

 

Speaker 1 [00:05:40]

Oder zumindest eine Schwester, die Älteste, die konnte dann auf euch aufpassen.

 

Speaker 2 [00:05:43]

Genau. 

 

Speaker 1 [00:05:47]

Okay. Erzähl mir von deiner Schulzeit. Wann wurdest du eingeschult?

 

Speaker 2 [00:05:55]

[unverständlich] [lacht kurz] Also, ich war sieben. Sieben? Ich kann mich nicht sehr viel erinnern. Ich weiß, meine Freundinnen, die haben auch in der gleichen Straße gewohnt und da sind wir zusammen zur Schule gegangen. Das war gut, weil ich das Gefühl hatte, ich war nicht alleine.

 

Speaker 1 [00:06:21]

Deine Freundinnen – die waren auch Roma?

 

Speaker 2 [00:06:22]

Roma. Ja, ich hatte nur Roma-Freundinnen.

 

Speaker 1 [00:06:27]

Okay. Und dann in der Schule, erste Klasse. Wie war das? Konntest du schon sehr gut Serbisch, oder?

 

Speaker 2 [00:06:33]

Ähm, nein, nicht so gut.

 

Speaker 1 [00:06:36]

Gab es Schwierigkeiten?

 

Speaker 2 [00:06:38]

Ja, auf jeden Fall. Ich konnte keine Worte finden, zu sagen, was ich will oder irgendetwas sagen, konnte ich einfach nicht. Und dann mit meinen Freundinnen zusammen, haben wir so zusammen: Boah, wie sagt man das? Wie soll ich das jetzt sagen? Sollen wir jetzt aufstehen und irgendwie mit Händen und Füßen. Das war schon schwer. Also die erste Klasse.

 

Speaker 1 [00:07:02]

Wie hat denn die Lehrerin oder der Lehrer darauf reagiert?

 

Speaker 2 [00:07:08]

Meine Lehrerin war schon sehr nett, die hat uns auch sehr geholfen. Also meine Mutter hat ihr schon erzählt, dass wir nicht so gut Serbisch können, weil wir halt nicht im Kindergarten waren. Ja, die hat uns schon sehr geholfen. Aber die anderen Schüler, die waren ein bisschen gemein und die haben uns immer ausgelacht.

 

Speaker 1 [00:07:34]

Was? Was haben denn die Mitschüler gesagt?

 

Speaker 2 [00:07:42]

Ha ha, guck mal, die kann nicht mal Serbisch. Oder, ähm, …

 

Speaker 1 [00:07:49]

Haben die gemeint?

 

Speaker 2 [00:07:50]

Ja. 

 

Speaker 1 [00:07:53]

Wusste man denn in der Schule sofort: Aha, das sind Roma?

 

Speaker 2 [00:07:55]

Ja.

 

Speaker 1 [00:07:58]

Wovon?

 

Speaker 2 [00:07:59]

Weil wir unsere Sprache geredet haben, Romanes. 

 

Speaker 1 [00:08:05]

Okay. Ich meine, bei dir kann man ja nicht so genau sehen, ob du bist Romani bist oder nicht, aber, …

 

Speaker 2 [00:08:10]

Ja, keine Ahnung. Die wussten das einfach, weil wir so geredet haben. Dann direkt: Ha, ha ihr Zigeuner, guck mal, ihr habt gar nichts. Guck mal, wie schmutzig ihr seid. Obwohl das gar nicht stimmte. Aber, …

 

Speaker 1 [00:08:21]

Die haben das gesagt?

 

Speaker 2 [00:08:23]

Ja.

 

Speaker 1 [00:08:24]

Die Kinder?

 

Speaker 2 [00:08:24]

Ja.

 

Speaker 1 [00:08:25]

Habt ihr euch beschwert? Bei der Lehrerin?

 

Speaker 2 [00:08:28]

Ja, aber sehr viel haben die nicht gemacht.

 

Speaker 1 [00:08:31]

Also mehr nicht als beschwert?

 

Speaker 2 [00:08:34]

Ja.

 

Speaker 1 [00:08:35]

Ja? Warum habt ihr das nicht gemacht?

 

Speaker 2 [00:08:39]

Wir hatten Angst.

 

Speaker 1 [00:08:41]

Wovor?

 

Speaker 2 [00:08:43]

Weiß ich nicht. Wir waren klein. Wir wussten nicht mal, was wir sagen sollen. Oder, wenn wir gesagt haben, okay, wir hatten eine Freundin, die war jetzt nicht so sauber, oder die hat nicht gute Sachen angehabt und dann einmal haben wir halt gesagt, was sie uns gesagt haben. Dann meinte sie: Ja, aber guck mal, wie du dich anziehst und so.

 

Speaker 1 [00:09:07]

Mhm. Das heißt, ihr Roma habt auf sie eingeredet, dass sie nicht so, dass sie ein bisschen sauberer kommen soll und sich auch besser anziehen soll?

 

Speaker 2 [00:09:18]

Ja.

 

Speaker 1 [00:09:20]

Aber sie hatte wahrscheinlich nichts anderes. 

 

Speaker 2 [00:09:21]

Die hatte nichts. Ne, die war sehr arm. 

 

Speaker 1 [00:09:29]

Okay. Und diese ersten Jahre waren dann schwer?

 

Speaker 2 [00:09:34]

Ja.

 

Speaker 1 [00:09:36]

Wie war denn deine Schulleistung oder die Schulleistung von den Roma-Mädchen?

 

Speaker 2 [00:09:42]

Die  war eigentlich gut. Die war jetzt nicht so, keine Ahnung, also, es ist viel auch nach der Schule passiert. Also der Weg nach Hause. Da waren auch sehr viele Schüler, wenn wir zusammen nach Hause gehen, den gleichen Weg. Da ist viel mehr passiert als in der Schule.

 

Speaker 1 [00:10:09]

Was ist passiert?

 

Speaker 2 [00:10:10]

Ja, die haben uns beleidigt,

 

Speaker 1 [00:10:12]

Wie denn?

 

Speaker 2 [00:10:16]

Mit Pfff. Ich kann mich nicht erinnern. Aber so: Ihr Zigeuner, guckt mal, wie ihr aussieht. Ihr seid so ekelhaft. Ihr stinkt. Ihr seid so hässlich. Mit Steinen geworfen. Ich meine, wir waren Kinder.

 

Speaker 1 [00:10:32]

Was habt ihr gemacht?

 

Speaker 2 [00:10:33]

Dann haben wir einfach auf Romane zurück beleidigt. [lacht]

 

Speaker 1 [00:10:12]

[Romanes] Akušlen* len? [Übersetzung: Ihr habt sie beleidigt?]

(* Akušibe – Es ist nicht nur auf jemanden schimpfen oder beleidigen. ist ein Verb, was eine vulgäre Beleidigung beinhaltet.)

 

Speaker 2 [00:10:16]

Ja. [beide lachen] Aber das Gute war, meine ältere Schwester, die war halt zwei, drei Jahre als…

 

Speaker 1 [00:10:50]

War die auch auf derselbe Schule? 

 

Speaker 2 [00:10:51]

Ja, genau. Dann habe ich mich sicherer gefühlt, weil die da war. Die war sowieso ein bisschen verrückt. Dann sagte sie: Wenn du noch einmal zu meiner Schwester gehst, du wirst sehen, was ich dir dann mache. Dann hatte die die kleinen Kinder, hatte die so …

 

Speaker 1 [00:11:05]

Gewarnt?

 

Speaker 2 [00:11:05]

Ja, das war schon gut. Okay, also, das ist so die erste. Also, erstes Jahr war schon schwer. Dann zweite, dritte, dann war alles gut.

 

Speaker 1 [00:11:19]

Bis du dich quasi eingelebt hast?

 

Speaker 2 [00:11:20]

Ja.

 

Speaker 1 [00:11:20]

Hattest du da auch serbische Freundinnen in der Schule?

 

Speaker 2 [00:11:26]

Irgendwann mal. Ich glaube, das war erst in der vierten Klasse. Das hat echt lang gedauert.

 

Speaker 1 [00:11:32]

Und die anderen Mädchen, die hatten mit euch auch in der Pause nicht gesprochen?

 

Speaker 2 [00:11:37]

Gar nicht.

 

Speaker 1 [00:11:38]

Oh mein Gott! War das für euch egal?

 

Speaker 2 [00:11:48]

Ja, das war echt egal. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Wir waren immer zu viert. Wir waren glücklich so. Also die hätten wir gar nicht gebraucht. Jeder hatte irgendwie seine …

 

Speaker 1 [00:12:03]

Clique?

 

Speaker 2 [00:12:04]

Ja.

 

Speaker 1 [00:12:07]

Okay.

 

Speaker 1 [00:12:09]

Wie waren denn deine Großeltern? Dein Opa und deine Oma?

 

Speaker 2 [00:12:19]

Die waren immer für uns da. Ja ja, meine Oma, als sie noch gesund war. Ich kann mich noch gut erinnern. Ich war, glaube ich, noch zweite Klasse. Die hat mir immer geholfen mit den Hausaufgaben. Die konnte das echt sehr, sehr gut. Mein Opa, der war halt immer da, aber irgendwie, der hat immer seine Sachen gut, Autos repariert und keine Ahnung was. Und meine Oma war schon immer mit uns da.

 

Speaker 1 [00:12:55]

Gibt es etwas, wo du sagst, das habe ich mitgenommen von meinen Großeltern?

 

Speaker 2 [00:13:08]

Ich weiß es nicht. [kurze Pause] Doch gibt es schon viele Wörter.

 

Speaker 1 [00:13:18]

Ne, ich meine so Sachen, die sie gemacht haben und vorgelebt haben. Also: das ist gut, das möchte ich auch so machen. Oder etwas, was du jetzt immer noch hast. Gibt es nicht? Nein?

 

Speaker 2 [00:13:28]

Leider nicht.

 

Speaker 1 [00:13:30]

Okay. Wie war denn deine Beziehung zu denen? Mehr enger zu deiner Oma oder zu beiden?

 

Speaker 2 [00:13:40]

Mehr zu meiner Oma. Dann, als sie krank wurde, dann ist diese Beziehung sowieso irgendwie, das war dann nicht mehr so eng. 

 

Speaker 1 [00:13:55]

Okay, dann habt ihr ja auch dieses Haus gebaut. Euer eigenes Haus. Und war die Beziehung dann immer noch da? Mit den Großeltern?

 

Speaker 2 [00:14:10]

Ja.

 

Speaker 1 [00:14:11]

Okay. Und deine Eltern jetzt, wenn du so zurückblickst in deine Kindheit, kannst du dich so an Sachen erinnern, die deine Mutter oder dein Vater euch Kindern beigebracht haben, wie man sich benimmt, wen man respektiert und solche Sachen?

 

Speaker 2 [00:14:41]

Also meine Eltern haben immer gesagt, wir sollen selbstständig sein [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] und immer respektlos sein. [lautes Lachen, weil sie sich versprochen hat]

 

Speaker 1 [00:14:50]

Respektvoll?

 

Speaker 2 [00:14:51]

[lacht weiter] Ja.

 

Speaker 2 [00:14:55]

Halt immer nett, immer freundlich. Das habe ich von denen.

 

Speaker 1 [00:15:03]

Sieht man nicht so.

 

Speaker 2 [00:15:03]

Nein? [beide lachen]

 

Speaker 1 [00:15:08]

Ne, Spaß. Wie war denn deine Beziehung zu deinem Vater?

 

Speaker 2 [00:15:16]

Ich hatte immer Angst vor dem.

 

Speaker 1 [00:15:20]

War er streng?

 

Speaker 2 [00:15:21]

Ja.

 

Speaker 1 [00:15:22]

Inwiefern?

 

Speaker 2 [00:15:28]

Keine Ahnung. Wir durften halt nicht sehr lange draußen sein. In der Schule [unverständlich] wir halt auch. Keine Ahnung. Wenn die Schule fertig war, dann direkt nach Hause oder ist egal, was es war. Ich hatte zumindest immer Angst: Boah, gleich kommt er nach Hause, muss sauber sein und alles muss an seinem Platz sein, weil sonst ist er genervt oder so und dann schimpft er und so.

 

Speaker 1 [00:16:04]

Und deine Mutter?

 

Speaker 2 [00:16:08]

Die war nicht so, die war schon lockerer. Aber die hat uns diese Angst mehr so angeerbt? So sagt man das glaube ich. Die hat immer gesagt: Komm, mach das mal schnell, sonst kommt gleich dein Vater und dann schimpft er und so. Wir wollen das ja nicht, wir wollen jetzt in Ruhe essen, und so. Musst du jetzt dahingehen? Das war schon immer so irgendwie. [kurze Pause]

 

Speaker 1 [00:16:39]

Deine Geschwister? Mit denen, wie hast du dich mit denen verstanden?

 

Speaker 2 [00:16:48]

Also meine ältere Schwester, habe ich nicht sehr viel Zeit verbracht. 

 

Speaker 1 [00:16:54]

Warum?

 

Speaker 2 [00:16:55]

Ich kann mich nicht erinnern. Ja, die war 15 oder 16, als sie geheiratet hat. Dann war ich quasi die ältere Schwester zu Hause, die auf meine andere Schwester und Bruder aufpassen muss. Deswegen hatte ich nicht so viel mit der irgendwie. Und als die rausging oder so, dann war die immer alleine. Die wollte mich nicht mitnehmen und das wollte ich auch nicht, dass ich mit der gehe.

 

Speaker 1 [00:17:22]

Okay. Und mit der Jüngeren [Schwester]?

 

Speaker 2 [00:17:25]

Ja, da habe ich eine sehr enge Beziehung. Ja. [kurze Pause]

 

Speaker 1 [00:17:38]

Gibt es irgendwelche Unterschiede von dir zu deiner Schwester, deiner jüngeren Schwester? 

 

Speaker 2 [00:17:48]

Umm [überlegt]

 

Speaker 1 [00:17:50]

Beschreib mal.

 

Speaker 2 [00:17:52]

Ich weiß es nicht. Umm. [kurze Pause]

 

Speaker 1 [00:18:03]

Charaktereigenschaften. Ist sie anders? Ist sie gleich wie du? Wenn anders, was anders?

 

Speaker 2 [00:18:09]

Doch, wir sind uns schon sehr ähnlich, mit meiner Schwester. Manchmal wird sie sehr schnell sauer [lacht kurz] und die redet viel mehr als ich. Aber sonst sind wir sehr gleich. Oder ähnlich.

 

Speaker 1 [00:18:29]

Und dein Bruder? [kurze Pause]

 

Speaker 2 [00:18:35]

Mein Bruder. Als er klein war, war der schon [spricht Romanes] Sar te vakerav nemirno? [Übersetzung: Wie soll ich sagen, frech?] Ja, der war schon frech. Aber als ich gesagt hab: Nein, du darfst jetzt nicht nach draußen gehen, du wirst zu Hause bleiben. Dann hat er auf mich gehört. Und jetzt ist er sehr verständnisvoll und sehr respektvoll. Der redet sehr, sehr gut mit uns. Ja.

 

Speaker 1 [00:19:10]

Okay. Wir kommen da gleich zu. Jetzt sind wir noch bei deiner Kindheit. [Zustimmendes Geräusch Speaker 2] Das Romasein war ja in dieser Siedlung, wo ihr gelebt hat, nichts besonderes, weil alle oder viele Roma waren. Aber sobald ihr dann in der Schule wart oder in der Stadt, dann hast du gemerkt, dass ihr anders seid?

 

Speaker 2 [00:19:40]

Ja.

 

Speaker 1 [00:19:41]

Ja. Wie bist du damit umgegangen als Kind? Als junges Mädchen?

 

Speaker 2 [00:19:48]

Umm. 

 

Speaker 1 [00:19:52]

War das dir egal, oder?

 

Speaker 2 [00:19:54]

Am Anfang war das schon schwer in der Schulzeit. Aber ich war halt nie alleine. Wir waren immer zu viert. Und für uns war das immer so egal: Hm, lass sie doch reden. Ist doch scheißegal, was sie sagen. Wir haben uns, obwohl wir so klein waren, haben wir uns immer gedacht: Ist egal, was die sagen.

 

Speaker 1 [00:20:13]

Gab es denn Serben, die auch nett zu euch waren?

 

Speaker 2 [00:20:17]

Ja. Irgendwann mal später.

 

Speaker 1 [00:20:20]

Jetzt Gleichaltrige?

 

Speaker 2 [00:20:22]

Ja.

 

Speaker 1 [00:20:22]

Okay. Und Nachbarschaft? Oder Personen, Serben, mit denen ihr näher Kontakt hattet?

 

Speaker 2 [00:20:31]

Hatten wir gar nicht.

 

Speaker 1 [00:20:35]

Ne? [Verneinendes Geräusch Speaker 2] Okay.

 

Speaker 2 [00:20:36]

Also, wir haben jetzt keine serbischen Nachbarn oder so. 

 

Speaker 1 [00:20:40]

Du hattest mir mal von einem Erlebnis erzählt, dass irgendeine serbische Frau gesagt hat: Wow bist du aber hübsch geworden? [lacht] Wer ist das?

 

Speaker 2 [00:20:49]

Ja, das war eine Verkäuferin in einem kleinen Laden und da sind wir immer ein Brot kaufen gegangen. Und die kennt uns halt von klein an, dann, als sie mich gesehen hat :Boah, bist du das? Sie hat mich gar nicht erkannt. Also, das waren jetzt nicht viele.

 

Speaker 1 [00:21:10]

Ich dachte jetzt, das war die Nachbarin oder so. Okay. [kurze Pause] In der Schule warst du dann bis zu welcher Klasse? 

 

Speaker 2 [00:21:30]

Bis zur Achten.

 

Speaker 1 [00:21:32]

Das ist quasi die Grundschule bei uns, ne? [Zustimmendes Geräusch Speaker 1]

 

Speaker 2 [00:21:35]

Ich durfte leider nicht weiter. Mein Vater hat mich nicht gelassen.

 

Speaker 1 [00:21:43]

Warum nicht? Was hat er gesagt?

 

Speaker 2 [00:21:46]

In diesem Jahr, als die achte Klasse fertig war, wollte ich weitergehen. Aber dann wurde, ich kenne dieses Mädchen nicht. Also, ein Roma Mädchen wurde dann vergewaltigt.

 

Speaker 1 [00:22:03]

In der Schule?

 

Speaker 2 [00:22:04]

Ja, die größere Schule da, die [spricht Serbisch] Srednja.

[Übersetzung: Mittelschule. (Es ist eine weiterführende Schule nach der 8. Klasse in Serbien)]

 

Speaker 1 [00:22:07]

Okay. Genau.

 

Speaker 2 [00:22:08]

Da wurde die vergewaltigt. Und mein Vater, also mein Papa, kannte den Vater von ihr. Und dann hatte der alles ihm erzählt. Und als sie gesehen haben, also die Älteren da, die Jungs, als sie gesehen haben: du bist ein Roma-Mädchen, dann haben die das gemacht. Und als mein Vater das gehört hat, hat er gesagt: Nein, du darfst nicht in die Schule gehen, weil der Angst hatte, dass das auch mir passieren könnte. Also ich hatte dann auch selber Angst, als ich das gehört habe, weil es war ein kleines Dorf und das erzählt sich halt schnell rum. 

 

Speaker 1 [00:22:46]

Wusste man denn im Nachhinein, wer dieser Vergewaltiger war?

 

Speaker 2 [00:22:51]

Ich weiß es nicht. Es waren auf jeden Fall Serben.

 

Speaker 1 [00:22:54]

Ja, aber ich meine, hat man das der Polizei gemeldet oder so? Weißt du nicht?

 

Speaker 2 [00:22:58]

Ich weiß es nicht, aber ich glaube ja. Die haben das alles gemacht.

 

Speaker 1 [00:23:04]

Und dein Vater quasi. Dich zu beschützen, hat er dir verboten, [Zustimmendes ja Speaker 2] weiter Schule zu machen, wegen diesem Vorfall. [Zustimmendes Geräusch Speaker 2]

 

Speaker 2 [00:23:14]

Der hatte halt Angst: Stell dir mal vor, das wäre dir jetzt passiert oder so, und dann hatte ich selber Angst. Ich wollte zwar weiter in die Schule, aber ich konnte nicht.

 

Speaker 1 [00:23:33]

Okay. Was ist denn danach passiert? Nach der Schule. Du warst da nur zu Hause. Ja, warst du da? Achte Klasse. Ende.

 

Speaker 2 [00:23:51]

14, 15, glaube ich. 15? Ja. Ich war 15. Ich war mit der Schule fertig und dann kamen Bekannte aus der Schweiz und die haben eine Babysitterin gesucht. Und ich wollte halt meinen Eltern auch helfen mit dem Geld. Und dann bin ich in die Schweiz gegangen.

 

Speaker 1 [00:24:16]

Zu diese Verwandten oder Bekannten?

 

Speaker 2 [00:24:18]

Ja, Bekannte waren das. Wir waren jetzt keine enge Familie. Und dann war ich da drei Monate lang.

 

Speaker 1 [00:24:27]

In der Schweiz. In welcher Stadt?

 

Speaker 2 [00:24:29]

Zürich.

 

Speaker 1 [00:24:31]

Und du hast auf Kinder aufgepasst.

 

Speaker 2 [00:24:33]

Ein Kind.

 

Speaker 1 [00:24:34]

Ein Junge?

 

Speaker 2 [00:24:37]

Sechs Monate alt.

 

Speaker 1 [00:24:39]

Oh, ein Baby.

 

Speaker 2 [00:24:39]

Baby.

 

Speaker 1 [00:24:40]

Drei Monate sagst du?

 

Speaker 2 [00:24:43]

Ja.

 

Speaker 1 [00:24:43]

Okay. Und das Geld, was du da bekommen hast, hast du natürlich nach Hause gebracht?

 

Speaker 2 [00:24:51]

Genau. Habe ich alles meinen Eltern gegeben.

 

Speaker 1 [00:24:55]

 Da waren sie natürlich stolz.

 

Speaker 2 [00:24:57]

Ja, klar. [lacht]

 

Speaker 1 [00:25:03]

Was ist dann passiert? Dann warst du wieder da, in Mahala?

 

Speaker 2 [00:25:09]

[Zustimmendes Geräusch]

 

Speaker 1 [00:25:11]

Erzähl mal von Hochzeiten die da immer stattfinden.

 

Speaker 2 [00:25:15]

Wir haben uns immer gefreut. [lacht] Es gab fast jeden Tag Hochzeiten.

 

Speaker 1 [00:25:22]

Im Sommer jetzt?

 

Speaker 2 [00:25:23]

Ja, im Sommer.

 

Speaker 1 [00:25:23]

Im Winter nicht?

 

Speaker 2 [00:25:24]

Im Winter gibt’s die nicht, ne. Im Sommer fast jeden Tag. Ja, das war sehr schön. Es waren sehr viele Roma-Menschen da. Wir haben uns immer stundenlang fertig gemacht und dann die ganze Zeit nur getanzt.

 

Speaker 1 [00:25:40]

Also fertig gemacht. Meinst du hübsch gemacht.

 

Speaker 2 [00:25:42]

Hübsch gemacht, genau. [beide lachen]

 

Speaker 1 [00:25:46]

Und dann habt ihr mitgetanzt? Also da war Musik draußen und so?

 

Speaker 2 [00:25:46]

Ja. [Zustimmendes Geräusch]

 

Speaker 1 [00:25:54]

Okay. Da war natürlich auch Zeit zum Flirten und alles.

 

Speaker 2 [00:25:58]

Alles Mögliche.

 

Speaker 1 [00:26:00]

Ich kenne das auch von mir, diese Hochzeitsfeiern, insbesondere bei Roma-Siedlungen ist so was wie eine Heiratsbörse. Man guckt Jungs oder guckt Mädchen, und lernt sie kennen. Das ist so eine Verkuppelungs-, wie heißt das denn, Veranstaltung. [Immer wieder zustimmendes ja Speaker 2]

Okay. Und dann, wie hast du deinen Mann kennengelernt?

 

Speaker 2 [00:26:40]

Per Facebook. [beide lachen] 

 

Speaker 1 [00:26:45]

Okay. Erzähl.

 

Speaker 2 [00:26:47]

Wie war das? Also, es gab andere Menschen, die zu uns nach Hause kamen. Die wollten mich als Braut nehmen, ähm.

 

Speaker 1 [00:26:59]

Wie alt warst du da?

 

Speaker 2 [00:27:02]

  1. Ich habe denen gesagt: Nein. Meine Eltern waren sehr unentschlossen. Die wollten eigentlich. Und mein Onkel. Der war halt so, weil meine Cousine da ist. Also da bei den Menschen, die kamen. Mein Onkel hat direkt gesagt: Ja, ja, wir geben dieses Mädchen, die will das auf jeden Fall. Und ich habe geweint. Ich habe gesagt: ich will nicht, das ist mir alles viel zu früh. Ich kenn den nicht mal! – Ja, die werden gleich kommen, dann kannst du ihn kennenlernen. Und das war auch so. Dann kamen die. [lacht und spricht] Dann musste ich mit diesem Jungen raus, ihn „kennenzulernen“ [zeigt Gänsefüßchen mit den Händen]. Meine Mutter hat mir gesagt: Weißt du was, meine Tochter? Ich weiß, du willst das nicht, aber diese Menschen sind jetzt da. Geh einfach. Und dann, wenn du kommst, sag einfach, das ist halt nichts für dich. Und mein Vater hat mir genau das Gleiche gesagt. Und dann, als sie das gesagt haben, dann war ich erleichtert. – Okay, jetzt wollen die doch nicht. Das ist gut. Das war auch so. Dann sind die gegangen. Paar Tage später kam meine Tante und hat gesagt: Ja, es gibt einen Jungen, der ist auch aus Deutschland. Ich gebe dir mal seinen Namen, dann könnt ihr schreiben. Und das war auch so.

[spricht Romanes] Te vakerav leso anav? [Übersetzung: Soll ich seinen Namen sagen?] Ne, oder? 

 

Speaker 1 [00:28:29]

[spricht Romanes] Ja, sar so chingadla pe. [Übersetzung: Ja, wenn du willst so wie der heißt.]

 

Speaker 2 [00:28:37]

Ja. Dann ein paar Tage später, zwei Tage oder so. Ich war bei Facebook, dann habe ich eine Freundschaftsanfrage von Redzep gesehen. Und dann habe ich es akzeptiert. Und dann haben wir angefangen zu schreiben. Und das ging fünf, sechs Monate lang. Und das war ein gutes Gefühl.

 

Speaker 1 [00:29:04]

Du hast ja bestimmt auch seine Fotos bei Facebook gesehen. Und so was er alles postet und so, quasi alles über ihn erfahren.

 

Speaker 2 [00:29:13]

Ich habe erst mal gesagt: Nee, ich glaube, ich will das nicht.

 

Speaker 1 [00:29:17]

Weil?

 

Speaker 2 [00:29:18]

[lacht] Weil mir das immer noch zu früh war. Ich wollte das eigentlich gar nicht.

 

Speaker 1 [00:29:21]

Aber Freundschaft. Einfach so schreiben ist ja okay.

 

Speaker 2 [00:29:23]

Ja, aber meine Mutter war der Meinung: Nein, du musst den nehmen. So direkt schreiben, direkt heiraten und so. Ich habe gesagt: Nein, ich kenne ihn nicht mal, ich bin erst 16. Aber das haben die nicht verstanden. Was heißt nicht verstanden? Bei uns ist das ganz normal, dass man so früh heiratet. Ja. Dann habe ich seine Fotos gesehen. Wir haben die ganze Zeit geschrieben. Das war schön. Nach sechs Monaten, es war im Sommer, dann kam der nach Smederevo. Ne, erst mal war er bei uns in Kostolac. Und da haben wir uns zum ersten Mal gesehen.

 

Speaker 1 [00:30:05]

In echt?

 

Speaker 2 [00:30:05]

In echt. [lacht] Ja, wir haben uns eigentlich nur zwei Wochen lang gesehen. Und dann haben wir entschieden: wir heiraten.

 

Speaker 1 [00:30:17]

Du hast ihn da das erste Mal gesehen. [Zustimmendes ja Speaker 2]

Und was hast du gedacht? Enttäuscht, oder?

 

Speaker 2 [00:30:24]

Nein.

 

Speaker 2 [00:30:26]

Wie soll ich das sagen, als wir geschrieben haben. Das war nicht so: Boah der schreibt jetzt die ganze Zeit und so? Ähm. Der war irgendwie sehr kalt. Und das habe ich bemerkt. Dann habe ich mir gedacht: Weißt du was, ich schreib dem einfach nicht. Ich sag zu meiner Mutter: Ja, wir schreiben, aber wir schreiben nicht [lacht]. Äh, bis der irgendwann mal selber geschrieben hat. Dann habe ich mir gedacht: Okay, der will doch was. Und als ich den gesehen habe, habe ich mir gedacht: Boah, okay, der sieht echt sehr nett aus. Und das hat mir sehr gut gefallen.

 

Speaker 1 [00:31:08]

Okay. Und dann habt ihr miteinander geredet und beim Reden erfährt man eigentlich viel mehr über diese Person. [Zustimmendes ja Speaker 2]

Und nachdem ihr euch dann gesehen habt, dann habt ihr entschieden: Doch, das ist eigentlich okay.

 

Speaker 2 [00:31:28]

Der hat mich gefragt: Kannst du dir vorstellen, ein Leben mit mir zusammen zu sein, zu leben? – Dann habe ich gesagt: Ja, und du mit mir? – Ja. – Okay, dann lass heiraten. Ich sage okay. Ich bin dann nach Hause gegangen. Ich habe meinen Eltern erzählt: Mama, Papa, der ist das. So, ich glaube, ich habe mich verliebt. [lacht] Und dann haben die gesagt: Ja, okay, meine Tochter. Wenn du meinst, wenn du glücklich bist, dann sind wir das auch. Und dann kam mein Schwiegervater, und mein Schwiegervater hat dann erzählt: Ja nächste Woche wollen wir schon nach Deutschland fahren und wir wollen unsere Braut direkt mitnehmen. Und ich war schockiert. Also ich habe gedacht, ich wusste das gar nicht. Meine Mutter kam dann und sagte: Hör mal meine Tochter, dein Schwiegervater sagt, die wollen dich direkt mitnehmen. Ich sagte Mama: Nein, das ist doch viel zu früh. Also, ich habe gedacht, erstmal werden wir verlobt sein.

 

Speaker 1 [00:32:28]

Zu früh oder viel zu schnell?

 

Speaker 2 [00:32:30]

Viel zu schnell. [Zustimmendes okay Speaker 1] Ja, aber dann ist alles genau so passiert. In einer Woche war dann eine Hochzeit. [lacht]

 

Speaker 1 [00:32:46]

Okay. Und bereust du es jetzt im Nachhinein? Hätte es ein bisschen mehr Zeit geben müssen oder ist das okay gewesen?

 

Speaker 2 [00:32:56]

Es ist okay gewesen. Es ist immer noch okay. [beide lachen]

 

Speaker 1 [00:33:01]

Okay, dann warst du irgendwann mal in Deutschland, [Zustimmendes Geräusch Speaker 2] jetzt abgesehen davon, dass du drei Monate in der Schweiz warst, hast wahrscheinlich kein Deutsch da gesprochen? [verneinen durch Speaker 1] Und auch hier, als du gekommen bist, konntest du denn überhaupt…

 

Speaker 2 [00:33:21]

Ne, ich konnte gar nicht sprechen. Also, das war schon für mich sehr schwer. Das war immer voll schwer. Als wir Abendessen gegessen haben, also meine Schwiegereltern, meine Schwägerin, mein Mann und ich, die haben immer Deutsch gesprochen. Und ich habe mir gesagt: Hey, die lästern jetzt gerade über mich, obwohl das gar nicht so war. Aber ich habe mir gedacht: Hey, ich sitze hier allein und ich esse mein Essen, die reden einfach die ganze Zeit und ich verstehe gar nichts. Und meine Schwiegermutter die ganze Zeit: Mach dir keine Sorgen, Silvija, die reden nicht über dich. [lacht]

 

Speaker 1 [00:33:55]

War das üblich, dass die immer miteinander Deutsch gesprochen haben?

 

Speaker 2 [00:33:59]

Ja, also…

 

Speaker 1 [00:34:00]

Obwohl die Roma sind.

 

Speaker 2 [00:34:02]

Also die haben schon Romane gesprochen, aber jetzt nicht viel, hatte ich das Gefühl. Also mit mir haben die immer Romane gesprochen, aber so am Tisch als sie abends saßen, haben die schon Deutsch gesprochen.

 

Speaker 1 [00:34:19]

Okay.

 

Speaker 2 [00:34:20]

Bis ich dann angefangen habe, meinen kleinen Schwager im Kindergarten immer zu bringen und abzuholen. [lacht] Also er hat mir sehr viel geholfen. Von ihm habe ich eigentlich auch alles gelernt.

 

Speaker 1 [00:34:33]

Wie alt war der da?

 

Speaker 2 [00:34:34]

Der war drei, drei war der. Ich musste ihn immer vom Kindergarten abholen. Dann hatte der irgendwann mal Hunger. Und dann sagt er zu mir Silvi ich habe Hunger. Kannst du mir bitte mein Brot geben? Ich sage, und ich habe Romane gesprochen, Ich sag: Leo, was willst du? – Und er sagt: Ich will mein Brot, mein Brot, dann hat er angefangen zu weinen. Das war für mich voll schwer, weil ich habe den nicht verstanden. Ich habe ihm einfach Süßigkeiten gegeben. Und er sagte. Nein, ich will das nicht. [lacht] Aber mit der Zeit habe ich dann gelernt, was das bedeutet.

 

Speaker 1 [00:35:14]

Und welches Jahr war das, wo du nach hier gekommen bist?

 

Speaker 2 [00:35:19] 2013.

 

Speaker 1 [00:35:21]

2013? Okay. Ähm. Zehn Jahre?

 

Speaker 2 [00:35:27]

Ja.

 

Speaker 1 [00:35:29]

Und jetzt spricht so Deutsch.

 

Speaker 2 [00:35:31]

Krass. [beide lachen]

 

Speaker 1 [00:35:38]

Wie ist es dann gelaufen? Du warst 16. Habt ihr dann standesamtlich geheiratet?

 

Speaker 2 [00:35:49]

Zwei Jahre später erst. [spricht Romanes] [Nach dem Interview hat sie mich gebeten das nicht zu übersetzten.]

 

Speaker 2 [00:35:49]

Im Jahr 2013 kam ich. Und 2015 haben wir standesamtlich geheiratet.

 

Speaker 1 [00:36:11]

  1. Da warst du dann 18?

 

Speaker 2 [00:36:14]

Ja, da konnte ich auch erst heiraten. [beide lachen]

 

Speaker 1 [00:36:20]

Okay. Hast du einen Sprachkurs besucht?

 

Speaker 2 [00:36:27]

Ähm, Sprachkurs nicht. Als wir geheiratet haben, gingen wir direkt zum Ausländeramt wegen der Anmeldung. Dann wollten die von mir einen A1 [Speaker 1: Zertifikat]. Genau. Und ich habe halt die ganze Zeit gesagt, ich kann das nicht. Das ist für mich schwer. Wie soll ich das alles schaffen? Und dann hat mich mein Mann angemeldet, einfach zu diesem Test zu gehen. Also ohne vorher… [Speaker 1: Ohne Schule] Genau. Ja, ich bin dann dahin gegangen. Ich habe bestanden.

 

Speaker 1 [00:37:02]

Also sofort zur Prüfung angemeldet?

 

Speaker 2 [00:37:03]

Mhm, direkt. Ich hatte ungefähr zwei oder drei Monate Zeit, irgendwie ein bisschen zu lernen. Ich habe das alles über das Internet ein bisschen gelesen, gelernt. 

 

Speaker 1 [00:37:15]

Und dann hast du dein Zertifikat bekommen, A1?

 

Speaker 2 [00:37:17]

A1 und mit sehr gut bestanden. Mit zwei Fehlerpunkten oder so war das. [lacht]

 

Speaker 1 [00:37:27]

Ja, dann warst du ja offiziell Ehefrau von einem Rom der, deutsche Staatsangehörigkeit hat. Danach, was ist danach passiert? 

 

Speaker 2 [00:37:47]

Ich glaube, wir waren zweieinhalb Jahre bei meinen Schwiegereltern. Dann haben wir uns neue Wohnung gesucht und wir sind umgezogen. Und dann wollte ich unbedingt arbeiten gehen. Und ich wollte unbedingt mit Menschen arbeiten, damit ich besser sprechen kann, also Deutsch. Ja, und das habe ich gemacht. Ich habe damals bei einer kleinen Bäckerei angefangen und da war ich nicht sehr lange. Ich war, glaube ich, nur drei, vier Monate da. Ich konnte immer noch nicht so gut sprechen. Ich konnte zwar sehr viel sagen, aber ich konnte das einfach nicht. Ich habe mich jeden Tag genervt wegen dieser Kollegen. Die waren sehr schlimm. Und dann habe ich gekündigt.

 

Speaker 1 [00:38:45]

Waren sie schlimm, weil?

 

Speaker 2 [00:38:48]

Weil sie nicht so gut geredet hat, mit dem Kunden sehr schlecht geredet hat. Mit mir auch. Die war immer so, 

 

Speaker 1 [00:39:00]

Negativ?

 

Speaker 2 [00:39:01]

Ja, die hat mich irgendwie immer angeschrien: Warum machst du das? Macht doch so und so. – Die hat das nicht nett gesagt.

 

Speaker 1 [00:39:12]

Okay. Hat dein Mann auch gearbeitet?

 

Speaker 2 [00:39:17]

Ja, doch. Doch, der hat gearbeitet. Und als wir umgezogen sind, wir hatten auch nicht viel Geld. Am Anfang war das auch schwer. Erst als ich angefangen habe zu arbeiten, dann war das besser. Was danach passierte, ist…

 

Speaker 1 [00:39:43]

Okay. Gab es denn Schwierigkeiten mit den Behörden wegen deinem Aufenthalt oder dem Standesamt, wegen der Heirat oder so?

 

Speaker 2 [00:39:55]

Beim Standesamt gar nicht. Aber bei der Ausländerbehörde. Ja. Wie war das? Die haben sich die ganze Zeit gefragt, wie ich nach Deutschland eingereist bin, ohne Visum. Und die wollten mich nach Serbien wieder schicken, da auf das Visum zu warten. Und das wollten mein Mann und mein Schwiegervater nicht. Und weil mein Mann gearbeitet hat und wir eine Wohnung hatten und der ist halt deutscher Staatsbürger, dann sollten die mir eigentlich direkt geben, aber das wollten die nicht. Und dann haben die uns irgendwie Probleme gemacht für ein paar Euro, für 4-5 € und dann haben die wieder irgendetwas gefunden. Aber mein Mann hat dann irgendeinen Paragraph gefunden, hat im Internet gelesen, dann hat er gesagt: Nee, hier steht es so und so, sie muss das bekommen. Und dann war das auch so!

 

Speaker 1 [00:40:58]

Sehr gut. Jetzt seid ihr ja zehn Jahre zusammen. Wie würdest du deinen Mann beschreiben? Was ist das für eine Person?

 

Speaker 2 [00:41:11]

Boah. [längere Pause] Der ist sehr selbstständig, selbstbewusst. Der weiß schon, was der macht. Ähm. [spricht Romanes] Pomožize ma hari Redzep [Übersetzung: Hilf mir ein bisschen Redzep] [lacht] Boah, das ist voll schwer. Ich bin sehr schlecht.

 

Speaker 1 [00:41:41]

Nein, nein. Erzähle einfach das, was du denkst. Und das ist dann immer das Beste. Also, du hast gesagt, er ist selbstständig.

 

Speaker 2 [00:41:52]

Selbstbewusst, [spricht Romanes] So vakerum? [Übersetzung: Was habe ich gesagt?]

 

Speaker 1 [00:41:56]

Ist er freundlich?

 

Speaker 2 [00:41:57]

Sehr freundlich, [lacht] manchmal zu freundlich. Und das nervt mich. [lacht]

 

Speaker 1 [00:42:02]

Ja?

 

Speaker 2 [00:42:03]

Ja!

 

Speaker 1 [00:42:05]

Okay.

 

Speaker 3 [00:42:08]

Sehr ruhige Person. Der nervt sich fast nie. Ich bin diejenige, die immer genervt ist. [lacht]

 

Speaker 1 [00:42:15]

Vielleicht zeigst du es.

 

Speaker 2 [00:42:17]

Ja.

 

Speaker 1 [00:42:18]

Und er nicht.

 

Speaker 2 [00:42:19]

Er nicht. Ja, das stimmt.

 

Speaker 1 [00:42:21]

Okay.

 

Speaker 2 [00:42:24]

Sehr liebevoll.

 

Speaker 1 [00:42:27]

Respektvoll?

 

Speaker 2 [00:42:28]

Respektvoll, habe ich schon, sympathisch und hübsch. [lachen beide] [spricht Romanes] Kakava ma chiv. [Übersetzung: Das schreibst du nicht.] [beide lachen weiter]

 

Speaker 1 [00:42:46]

Okay. Jetzt bist du hier. Zehn Jahre. Das heißt, die Zeit, die du hier jetzt schon lebst, ist ja kürzer als die Zeit, die du in Serbien verbracht hast. Würdest du sagen, wenn du zum Beispiel nach Hause fährst: Ich fahre nach Hause?

 

Speaker 2 [00:43:11]

Ja.

 

Speaker 1 [00:43:13]

Und was ist jetzt für dich zu Hause? Das in Serbien oder das hier?

 

Speaker 2 [00:43:25]

Ist schon schwierig. [kurze Pause] Also, ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Es war ein schönes Leben. Es war manchmal schon sehr schwierig für mich. Aber hier ist es auch schön. Wenn ich zum Beispiel in Serbien bin, dann vermisse ich irgendwie Deutschland. Wenn ich hier bin, jetzt gerade vermisse ich mein Zuhause. Also jetzt Serbien.

 

Speaker 1 [00:43:59]

Heißt das, du bist noch nicht so entschlossen, wo du eigentlich hingehörst?

 

Speaker 2 [00:44:03]

Ja, bin ich sehr, ja.

 

Speaker 1 [00:44:06]

Ist das so? [Zustimmendes ja Speaker 2] Okay. Aber wenn du in Serbien bist, sagst du dann: Ich gehe auch nach Hause, nach Deutschland?

 

Speaker 2 [00:44:13]

Ja. Sage ich auch.

 

Speaker 1 [00:44:15]

Das heißt, du gehst nach Hause, und du gehst nach Hause.

 

Speaker 2 [00:44:19]

Ja.

 

Speaker 1 [00:44:22]

Ja. Man kann auch zwei Zuhause haben. Warum nicht?

 

Speaker 2 [00:44:24]

Ja, das stimmt.

 

Speaker 1 [00:44:31]

Wie hast du dich denn beim Verlassen von Serbien nach Deutschland gefühlt? War das traurig? War das Freude für hier? War es beides?

 

Speaker 1 [00:44:45]

Das war beides. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Also ich war schon sehr traurig, weil ich meine Eltern verlasse, meine Familie, mein Zuhause. Wie wird es denn jetzt hier in Deutschland sein? Aber andererseits habe ich mich gefreut. Ich bin mit dem Mann hier, den ich liebe. Ich habe mich eigentlich auch gefreut.

 

Speaker 1 [00:45:07]

Bist du denn deiner Meinung nach gut aufgenommen worden?

 

Speaker 2 [00:45:12]

Ja!

 

Speaker 1 [00:45:13]

Ja?

 

Speaker 2 [00:45:13]

Sogar sehr gut. Der erste Tag war schwierig. Es waren sehr viele Menschen da. Sehr große Familie. Wer ist das? Wer ist das? [lacht] Aber jetzt. Ja, ich wurde schon sehr gut aufgenommen.

 

Speaker 1 [00:45:32]

So arbeitest du, glaube ich, …

 

Speaker 2 [00:45:37]

Immer noch in der Bäckerei.

 

Speaker 1 [00:45:39]

Ja. Und du warst zeitweise Leiterin einer Filiale? [Zustimmendes Geräusch Speaker 2] Ich meine, es ist schon erstaunlich, dass du in dieser kurzen Zeit diese Position bekommen hast. Was meinst du, woran hat das gehangen, dass du das in so kurzer Zeit so weit geschafft hast, dass du so gut Deutsch spricht, dass du diese leitende Position hattest ohne dass du eine Ausbildung gemacht hast?

 

Speaker 2 [00:46:22]

Keine Ahnung. Viele haben mir gesagt: Du kommst aus Serbien, du bist eine Roma und deswegen kannst du das. Deswegen bist du so gut.

 

Speaker 1 [00:46:31]

Wer hat das gesagt?

 

Speaker 2 [00:46:32]

Meine Kolleginnen. Damals bei Nobis.

 

Speaker 1 [00:46:37]

Okay.

 

Speaker 2 [00:46:38]

Weil die kennt auch irgendwelche Roma, die auch irgendwie so sind mit arbeiten und so schnell und [Speaker 1: fleißig] fleißig. Das haben die halt gesehen. Und dann haben die direkt bei mir gesagt: Nee, sie können nicht kündigen, sie machen hier weiter als Teamleitung. Und dann war das auch so!

 

Speaker 1 [00:47:01]

Meinst du, dass diese Erziehung bei uns, was Mädchen betrifft, da eine Rolle spielt?

 

Speaker 3 [00:47:07]

Ja, sehr sogar.

 

Speaker 1 [00:47:10]

Ja?

 

Speaker 2 [00:47:10]

Ja, ich musste ja, als ich noch klein war. Als ich noch sieben war, musste ich lernen, wie man putzt: Nein, meine Tochter. So ist das nicht richtig. Du muss das so machen. – [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Aber meine Mutter hat das immer nett gesagt. Ich wollte das auch immer so machen. Und dann hatte ich das. – Nein, mach das so, es ist sieht besser aus, oder? Macht immer so, nicht so! – Das war schon von klein an anders. Also die Erziehung macht schon …

 

Speaker 1 [00:47:39]

Und meinst du oder würdest du sagen, dass diese Eigenschaften von vielen anderen Müttern an die Tochter weitergegeben werden? Dieses Fleißig-Sein. Diese…

 

Speaker 2 [00:47:54]

Ja.

 

Speaker 1 [00:47:57]

Aber es sind nicht alle so. 

 

Speaker 1 [00:47:59]

Nein. 

 

Speaker 1 [00:48:00]

Oder viele nehmen das auch nicht an.

 

Speaker 2 [00:48:02]

Ja, das stimmt.

 

Speaker 1 [00:48:04]

Okay. Gut, jetzt habt ihr es quasi geschafft. Dein Mann hat eine gute Arbeit. Du hast eine gute Arbeit. Und das in dieser kurzen Zeit. Darauf könnt ihr richtig stolz sein. Und wenn du dich jetzt umsiehst und umhörst, wie die anderen leben oder wo die im Moment dran sind, was würdest du denen sagen, dass sie machen sollen, um schneller irgendwie hier Fuß zu fassen oder erfolgreicher zu sein?

 

Speaker 2 [00:48:54]

Boah! [kurze Pause]

 

Speaker 2 [00:49:01]

Wie soll ich das sagen? 

 

Speaker 1 [00:49:03]

Hat das etwas mit sich integrieren zu tun? Oder hat etwas mit diesem Wunsch, diesem Willen zu tun?

 

Speaker 2 [00:49:12]

Ja, es ist der Wille. Wenn du das nicht willst, dann glaube ich, du schaffst gar nichts im Leben. Also ich wollte unbedingt auch Deutsch lernen, weil für mich, ich sag ja, für mich war das schwer. Okay, der kann Deutsch und ich nicht. Ich schaff das! ich muss lernen!

 

Speaker 1 [00:49:31]

Hattest du denn Unterstützung bekommen?

 

Speaker 2 [00:49:34]

Ja, von allen, von meinem Mann, von meinem Schwiegervater. Mein kleiner Schwager. Der hat mir sehr viel geholfen. Wenn ich irgendein Wort falsch gesagt habe, dann hat er gesagt: Nein Silvija, du musst das so sagen. [lacht]

 

Speaker 1 [00:49:52] Okay. Gibt es irgendein Ereignis in deinem Leben, wo du sagst: Das hat mich sehr geprägt und deshalb bin ich so ein Mensch geworden? Und dann gab es so ein Ereignis nicht? Oder ist es einfach die gesamte Erziehung, die du genossen hast?

 

Speaker 2 [00:50:19]

Also so ein Ereignis gab es nicht. Ich kann mich jetzt auch nicht erinnern.

 

Speaker 1 [00:50:28]

Okay, wir waren noch mal kurz bei deinem Bruder, wie der jetzt im Moment ist. Wie ist denn im Moment deine Beziehung zu deinen Geschwistern, zu deinem Bruder, zu deinen Schwestern?

 

Speaker 2 [00:50:42]

Sehr nah. In letzter Zeit hat er angefangen, sehr offen mit mir zu sprechen. Über alles. Über Arbeit, über Freunde, über meine Eltern, über seine Beziehung. Das finde ich sehr, sehr gut. Der fragt mich nach Rat. Und ich, als große Schwester bin ich halt für ihn da.

 

Speaker 1 [00:51:02]

[hustet] [Zustimmendes Geräusch] Gibt es etwas, wo du sagen kannst: Das hat er jetzt von mir abgeguckt, oder: Der macht das genau so, wie ich das gesagt habe. Oder meinst du, der hat schon sein eigenes Verständnis, was er macht?

 

Speaker 2 [00:51:31]

Ich glaube schon. Sein eigenes Verständnis.

 

Speaker 1 [00:51:36]

Und deine Schwester?

 

Speaker 2 [00:51:41] [lacht]

Sie ist ein bisschen verrückt. [beide lachen]

 

Speaker 2 [00:51:47]

Die hat jetzt auch geheiratet. Ich war ein bisschen enttäuscht, weil das alles so schnell war und weil wir uns eigentlich auch immer sehr nah waren. Die hat mir auch immer alles erzählt und man hatte das einfach gemacht. Zack, keiner wusste es. Das war schon ein bisschen enttäuschend von der. [kurze Pause]

 

Speaker 1 [00:52:15]

Okay. Aber im Nachhinein, jetzt seid ihr wieder die alten?

 

Speaker 2 [00:52:20]

Ja. [lacht]

 

Speaker 1 [00:52:23]

Okay. Deine Eltern sind jetzt auch hier?

 

Speaker 2 [00:52:27]

[Zustimmendes Geräusch]

 

Speaker 1 [00:52:28]

Arbeiten die?

 

Speaker 2 [00:52:29]

[Zustimmendes Geräusch]

 

Speaker 1 [00:52:33]

Beide? 

 

Speaker 2 [00:52:34]

Ja.

 

Speaker 1 [00:52:35]

Okay. Obwohl sie nicht so gut Deutsch können, oder?

 

Speaker 2 [00:52:41]

Ja. [kurze Pause] Beide arbeiten.

 

Speaker 1 [00:52:45]

Okay. Was würdest du sagen? Dass deine Eltern jetzt auch hier sind, finden Sie das gut? Oder würden sie, [Speaker 2: Das die hier sind?] würden sie lieber nach Hause? Nach Serbien?

 

Speaker 2 [00:53:05]

Also mein Vater sagt in letzter Zeit: Ich würde gerne wieder nach Serbien gehen. – Für ihn ist jetzt Deutschland bisschen stressig, aber das, glaube ich, ist wegen der Arbeit. Aber meine Mama nicht. Weil meine Mama sagt immer wieder: Willst du wieder nach Serbien, um wieder so viel zu arbeiten für 10 € am Tag? – Das will mein Vater eigentlich auch nicht. Aber er vermisst auch seine Eltern.

 

Speaker 1 [00:53:29]

Verstehe. Okay, was jetzt deine Lebensgeschichte betrifft, gibt es etwas noch, was du gerne sagen möchtest, was wir nicht thematisiert haben?

 

Speaker 2 [00:53:46]

[Verneintes Geräusch]

 

Speaker 1 [00:53:47]

Gibt es nicht?

 

Speaker 2 [00:53:49]

Ne.

 

Speaker 1 [00:53:50]

Okay, dann bedanke ich mich.

 

Speaker 2 [00:53:54]

Danke auch. 

 

Speaker 1 [00:53:55]

Es wird ein zweites Interview geben, wo es speziell um den Umgang mit Diskriminierung oder mit Benachteiligung geht. Es sind einfach nur Fragen, die ich Stelle, worauf du antworten sollst, ja?

 

Speaker 2 [00:54:16]

[Zustimmendes Geräusch]

 

Speaker 1 [00:54:17]

Und für den Folgetermin werden wir uns dann auch verabreden. Okay. Vielen Dank.

 

Speaker 2 [00:54:25]

Danke auch.

Was dir noch gefallen könnte

Transkript Denis Petrovic

Name der interviewten Person Denis PetrovicGeschlecht männlichAlter 35Religion/Glaubenszugehörigkeit Christlich...

Transkript Sandra Sejdovic

Name der interviewten Person Sandra SejdovicGeschlecht weiblichAlter 36 JahreReligion/Glaubenszugehörigkeit...

Transkript Tatjana Bogdanovic

Name der interviewten Person Tatjana BogdanovicGeschlecht weiblichAlter 27Religion/Glaubenszugehörigkeit...

Diskriminierung erkennen, Resilienz stärken.

Die Studie „Diskriminierung erkennen, Resilienz stärken“ beleuchtet die Erfahrungen und Strategien zugewanderter Rom*nja in NRW. Mit einem partizipativen Ansatz entstanden authentische Einblicke in Diskriminierung und Resilienz – ergänzt durch praxisnahe Handlungsempfehlungen. Erfahren Sie mehr!