Name der interviewten Person Anonym
Geschlecht weiblich
Alter 19
Religion/Glaubenszugehörigkeit Islam
Herkunftsland Deutschland
Herkunftsland der Eltern Nordmazedonien
Kürzel DR2.1
LG/TZ LG
E.I. [00:00:51]
Äh, dann bitte ich dich, dass du mir mal von deinem Leben erzählst.
DR2.1 [00:01:31]
Mein momentanes?
E.I. [00:01:33]
Allgemein, dein Leben.
DR2.1 [00:01:34]
Okay, also mein Leben ist eigentlich ganz ruhig. Ich bin ja auch noch relativ jung. Ich bin 19 Jahre alt. Ich habe gerade mein Abitur gemacht, möchte jetzt nächstes Jahr im Sommersemester BWL studieren. Ähm ja. Momentan arbeite ich Teilzeit und verdiene so nebenbei mich und mein Geld. Und ja.
E.I. [00:02:06]
Okay. Du bist geboren. Wo?
DR2.1 [00:02:11]
In [Stadt 1 in Deutschland]. In Deutschland.
E.I. [00:02:13]
Okay. Du bist hier auch zur Schule gegangen. Hier aufgewachsen?
DR2.1 [00:02:20]
Ja. Ich war hier im Kindergarten. Ich bin hier aufgewachsen. Ich hatte mit meiner und meinem. Meiner Herkunft eigentlich nie wirklich viel zu tun. Ich bin also relativ sehr stark in deutschen Kreisen aufgewachsen. Also eher weniger in ausländischen. Tatsächlich, ja.
E.I. [00:02:43]
Okay. Erzähl mir mal von deiner Kindheit.
DR2.1 [00:02:48]
Meine Kindheit war ein rauf und runter. Natürlich. Wie bei jedem Kind auch. Also, ich war wie jede und jedes andere Kind auch im Kindergarten. Und dort hat das eigentlich auch schon angefangen mit ganz viel Mobbing und Diskriminierungen, ausschließen usw. Also das. Na, das fängt ja Deutschland an, schon ganz klein, da, wo man eigentlich, wo die Kinder sich eigentlich gar nicht bewusst sind, was sie machen. Aber das war dann ruhig danach. Später bin ich halt in die Grundschule gekommen und dann ging das auch stärker los mit Mobbing, ausschließen, Diskriminierung auch von Lehrern. Ähm, genau Realschule. Danach bin ich auf die weiterführende gewechselt. Auf eine Realschule und da vor muss ich sagen, habe ich mich stärker in deutschen Kreisen aufgehalten als dann in meiner Realschulzeit. Ich sage mal so, das war eher eine Schule, die so mehrere ausländische Kinder betreut hat. Und so bin ich dann erstmals in diesen Kreis geschlüpft, sage ich mal, und dann konnte man dort auch erste Unterschiede bemerken vom Verhalten der anderen mir gegenüber. Und dann in der Abi Zeit war das dann eher so eine Mischung, wo man auch viel merken konnte, ähm, wie andere einen einschätzen. Wenn man ein bisschen anders aussieht und vor allem, wenn man sagt, dass man aus einem anderen Land kommt, wo es ganz viele Sinti und Roma beispielweise gibt, dann ziehen sich einige etwas zurück und gucken ein bisschen komisch an, weil sie sich ja direkt schon denken können, dass man einer ist. Da muss man gar nicht viel Bestätigung geben. Genau. Also es war ein rauf und runter. Viele Freunde zum Beispiel hatte ich damals auch nicht, weil eben halt Kinder schon angefangen haben, einen auszuschließen. Ja.
E.I. [00:04:56]
Okay. Wie war das für dich?
DR2.1 [00:05:00]
Für mich. Schwer. Also in meiner Grundschulzeit war das sehr, sehr, sehr schwer für mich, denn das ist ja das erste Mal, dass man so versucht mit mehreren älteren Kindern so Zusammenschluss zu finden, irgendwie Anschluss zu finden, nicht. Und das ging halt nicht, weil man mich sehr früh schon auch ab der ersten Klasse angefangen hat auszuschließen. Und halt ich dann auch. Beispielsweise in der OGS gab es ja und ich war da immer alleine. Ich war da einmal mit den Erziehern an einem Tisch am Sitzen, weil ich keine Freunde hatte, weil die mich nicht so nehmen wollten, wie ich bin, weil deren Eltern gehört haben, dass wir aus Mazedonien sind. Und das war dann für die: okay, das sind Roma. Und dann spiel nicht mit der. So war das und. Genau. Vor allem ich war auf einer Grundschule, wo das typische Aussehen eines Schülers blond, blauäugig war. Es waren halt übermäßig Deutsche und ich war halt so die einzige Braunhaarige und blauäugig in der Klasse und da hat man auch schon echt stark an den Lehrern gemerkt, wie die einen, ich sage mal nicht so beachtet haben, wie man eigentlich als Grundschulkind Aufmerksamkeit bekommen sollte. Genau. Und ich war natürlich oft traurig, wenn ich dann zu Hause war und habe nie verstanden, warum man mich ausgrenzt. Ich habe ja nichts gemacht vor den Kindern dort nichts getan. Aber genau. Und ich bin dann ganz oft zu meiner Mutter gelaufen, zu meinem Vater, bis die mir dann erst gesagt haben, dass ich ein Roma bin, weil ich wusste das damals gar nicht. Ich hatte auch keine Ahnung, was das ist und. Ja, genau. Und erst dann habe ich verstanden, warum man mich ausschließt. So wirklich. So richtig nachvollziehen kann ein logischer Verstand das natürlich nicht, aber man versteht, wenn jeder einen hasst, dann zieht sich das sozusagen mit.
E.I. [00:07:10]
Du hast erwähnt, dass von beide Seiten wohl auch das Schulpersonal und auch deine Mitschüler.
DR2.1 [00:07:20]
Genau, also meine Mitschüler sowieso. Die haben sehr früh angefangen mit Mobbing und das war so sehr, dass ich mich manchmal in Pausen zum Beispiel auf dem Klo eingesperrt habe, weil ich sonst alleine war und die mich dann gehänselt haben, mir Sachen hinterhergerufen haben. Und bei Schulpersonal, das war damals meine Klassenlehrerin. Das war halt so. Es gab eine Freundin eine einzige Freundin, mit der ich gut war und gut befreundet war und ihre Mutter hat sich ehrenamtlich in der Schule engagiert. Also die kam da mehrmals wöchentlich und hat uns lesen beigebracht. Und ich bin super gerne zu ihr gegangen, weil ich voll lernfreudig war als Kind und sie hat mir halt so beigebracht zu lesen und zu schreiben. Und sie war dann auch irgendwann meine Nachhilfelehrerin und sie wusste genau, was für Fähigkeiten ich habe. Meine Lehrer damals wollten das aber gar nicht anerkennen. Also das war wirklich so sehr, dass die gesagt haben: Nee, auf jeden Fall Sekundarschulempfehlungen und wenn überhaupt, vielleicht würde eine Hauptschule infrage kommen. Genau. Und dann war das auch so. Nach der vierten Klasse habe ich ja dann meine Empfehlung bekommen für tatsächlich Hauptschule und eingeschränkt war dann Realschule und irgendwann kam dann die Mutter meiner Freundin bei uns in den Laden von meinen Eltern und hat gesagt: Ja, ich habe auch schon einiges mitbekommen, wie man über die [Name] geredet hat im Lehrerzimmer und dass man ihr das niemand anerkennen wollte, wofür sie sich die ganzen vier Jahre bemüht hat. Und die meinte auch die [Name], die war viel besser als das, wie sie benotet worden ist. Und das ist halt einfach diskriminierend und rassistisch gewesen vom Schulpersonal. Und auch wenn ich zum Beispiel nicht gemeldet hatte wegen den Kinderhänseleien da in der Schule, haben die Lehrer nie wirklich was gemacht. Also das war immer. Das wurde totgeschwiegen, weil das wohl nicht so schlimm war. Es kam immer nur so: Ach komm, stell dich nicht so an, so schlimm ist das doch gar nicht. Die meinen das doch gar nicht so!
E.I. [00:09:42]
Warst du ein lebendiges Kind eigentlich?
DR2.1 [00:09:45]
Ich war ein sehr fröhliches Kind. Bin ich bis heute noch. Ich bin so ein sehr lebensfroher und wacher Mensch. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich, als Grundschulkind zum Beispiel, wurde mir das sehr genommen. Dadurch, dass ich so ausgeschlossen worden bin, bin ich sehr schüchtern geworden. Auch wo ich dann auf die weiterführende Schule gegangen bin, hat man das sehr gemerkt, dass ich sehr verschlossen war.
E.I. [00:10:09]
Kannst du dich erinnern an dein erstes Zuhause? Ich meine, wo du zuerst gelebt hast, als du klein warst.
DR2.1 [00:10:23]
Richtig erinnern? Natürlich nicht. ne ähm. Wir haben damals in einer ganz kleinen Zweizimmerwohnung gewohnt. Das weiß ich von Erzählungen und Bildern. Und davor hat – eigentlich dafür, dass meine Eltern ein schweres Leben hatten vor mir – sag ich mal, war das schon ein gutes Verhältnis, muss ich sagen. Genau. Also wirklich, in schweren Wohnungszuständen habe ich tatsächlich nie gelebt, weil meine Eltern sich sehr für mich bemüht haben, dass ich hier integriert lebe in einer anständigen Wohnung. Und so weiter.
E.I. [00:11:04]
Wer hat da mit euch gelebt?
DR2.1 [00:11:07]
Meine Mama, Mein Papa und ich.
E.I. [00:11:13]
Wie lange habt ihr dort gelebt?
DR2.1 [00:11:16]
Nur zwei Jahre. Bis zu meinem zweiten Lebensjahr. Oder maximal bis zu meinem dritten. Ab da war Mama schwanger mit meinem kleinen Bruder. Und dann musste eine größere Wohnung her. Und dann sind wir natürlich umgezogen.
E.I. [00:11:34]
In diese große Wohnung hast du.
DR2.1 [00:11:37]
Ja auf jeden Fall.
E.I. [00:11:40]
Wie war die Nachbarschaft? Wie hast du die Nachbarschaft wahrgenommen?
DR2.1 [00:11:45]
Nachbarschaft war eigentlich anfangs zumindest sehr, sehr locker. Also es war total cool. Man war mit jedem gut. Es war halt so ein Mehrfamilienhaus. Da haben ganz viele ausländische Familien vor allem gewohnt. Und man hat halt jetzt von Diskriminierung und rassistischen Hintergründen nichts mitbekommen. Das kam aber allerdings dann später, wo sich Familien im Mehrfamilienhaus gewechselt haben, mehrere Leute dazugekommen sind, jüngere vor allem. Und genau ja.
E.I. [00:12:22]
Inwiefern? Hast du dich als Kind der Roma Community zugehörig gefühlt?
DR2.1 [00:12:32]
An sich gar nicht. Ganz und gar nicht. Ich bin tatsächlich gar nicht in Roma Kreisen aufgewachsen. Ähm, ich bin, wie gesagt, in deutschen Kreisen aufgewachsen, vielleicht sogar türkisch-kurdischen Kreisen, aber wirklich nie was wirklich mit anderen Roma Leuten zu tun gehabt. Außer meiner Familie, Tanten mit Cousinen und Cousins. Und das waren meine einzigen Roma Kontakte, die ich sogar bis heute noch habe. Also ich habe da sehr wenig Zugehörigkeit tatsächlich.
E.I. [00:13:13]
Was haben dir deine Eltern über die Roma Community erzählt?
DR2.1 [00:13:20]
Einiges. Tatsächlich ist das auch für uns immer noch ein Rätsel. Ich habe mich immer gefragt: Woher kommen wir eigentlich? Weil tatsächlich sehr bewusst war, dass wir kein Land haben und wir eine Sprache haben, die aber irgendwie niemand versteht, die auch niemand richtig übersetzen kann. Und ich habe mich immer gefragt Woher kommt das? Und da gibt es halt die eine bekannte Variante, zum Beispiel, dass wir aus Indien abstammen. Aber das macht für mich tatsächlich wenig Sinn, weil wenn wir aus Indien abstammen würden, dann würde ich jetzt immer noch aus Indien abstammen und deswegen. Es macht halt sehr wenig Sinn für mich. Genau. Meine Eltern haben davon auch nicht so viel gehalten. Aber ja. Es ist halt so ein Durcheinander. Man weiß nicht, was man glauben soll.
E.I. [00:14:18]
Deine Eltern haben dir nicht viel erzählt über die Community oder wie? Jetzt sage ich mal Traditionen sind natürlich Traditionen.
DR2.1 [00:14:32]
Und wie schwer das für die war, zum Beispiel nach Deutschland zu kommen. Das ist bei denen auch viel mehr Ausgrenzung und Diskriminierung und sowas als bei mir natürlich. Solche Sachen hab ich mitbekommen, aber jetzt so wirklich woher stammen und so weiter, das wissen die ja selber nicht.
E.I. [00:14:52]
Klar, aber allgemein zum Beispiel – weiß ich nicht – Hochzeiten jetzt. Warum man das jetzt macht an diesem Tag oder solche Sachen. Das hast du ja…
DR2.1 [00:15:02]
Genau solche Sachen sind mir auf jeden Fall bewusst. So Traditionen, Feiertage, die man sich schon alleine, wie man sich bei uns gegenüber der Familie verhält, aus Respekt, ist ein etwas anders als bei anderen. Ich finde, dass wir in unserer Community viel mehr Respekt gegenüber anderen zeigen, als ich es in anderen Kreisen gesehen habe. Genau. Auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird.
E.I. [00:15:34]
Okay. Kannst du mir von deiner Kindheitsfreundschaft erzählen? Hast du jetzt in der anderen Wohnung, da wo du dich schon ganz genau erinnerst oder Schulfreundschaft von Kindheit allgemein? Ob das jetzt Nachbarn waren, Schule oder was auch immer.
DR2.1 [00:15:55]
Ja, also da, wo ich klein war, bis zu meinem dritten Lebensjahr, wo wir gewohnt haben, da kann ich mich ein wenig dran erinnern. Aber ich weiß, dass es dort ganz viele Kinder waren, die mit mir gespielt haben. So, da gab es gar keine Probleme oder so, das war alles ganz angenehm. Und danach sind wir umgezogen in die größere Wohnung. Dort habe ich von meinem vierten Lebensjahr bis zu meinem 14., glaube ich, gelebt. Genau. Und da habe ich halt ganz viele Freundschaften gehabt. Um ehrlich zu sein, in der Nachbarschaft, auch im Kindergarten, hatte ich sogar eine beste Freundin. Genau. Aber unsere Wege haben sich genauso getrennt wie mit allen anderen. Irgendwann, nachdem man halt so auf die weiterführende gegangen ist und die Eltern angefangen haben. Die haben halt immer so einen herablassend behandelt und so herablassend geguckt. Wenn man gesagt hat, dass man aus Mazedonien ist, dann war das immer so: Sei vorsichtig, mein Kind, da kommen viele Roma her und so! Ja, weil ich einen anderen Begriff benutzt hab als Roma, aber den lassen wir heute.
E.I. [00:17:12]
Du kannst ja ruhig sagen Ja, was du meinst, ist ja alles offen.
DR2.1 [00:17:16]
Genau, die haben sich die Begriffe Zigeuner und Landlose, solche Sachen benutzt. Genau. Und danach war ich auf der weiteren führenden Schule. Da hatte ich eine einzige Freundin. Und das war eine Jüdin. Mit der war das aber auch sehr auf Distanz, vor allem, weil sie auch eine Person war, die sehr ausgeschlossen worden ist, eben auch, weil sie wegen ihrer Herkunft oder ihrer Ethnie und. Genau. Und da hatte ich tatsächlich viele Freunde. In der Grundschule, in der weiterführenden war das dann auch so, dass ich halt, weil ich in so vielen deutschen Kreisen aufgewachsen bin, dass ich gar nicht so den Anschluss erstmal gefunden habe. Bei ausländischen Kindern sage ich mal und ich war halt ein bisschen anders als die und das ist die natürlich auch aufgefallen. Und die ersten zwei Jahren auf der Realschule waren zum Beispiel auch Katastrophe. Da habe ich auch nicht wirklich Freunde gefunden. Genau, bis auf eine einzige, die dann auch aus dem Balkan kam. Und. Genau, die hat mich dann halt sehr verstanden, weil sie genau so eine Roma war, wie ich. Genau. Und danach mit der Zeit. Irgendwann habe ich angefangen, mich anzupassen, den Leuten, damit ich nicht auffalle. Damit ich bin wie die, damit man mich nicht ausgrenzt. Weil tatsächlich: Ich habe irgendwann angefangen, irgendwie Fehler an mir zu suchen. Okay, sehe ich aus wie ein Romani oder sehe ich aus wie die oder wirklich so: ist mein Verhalten so vielleicht, wenn ich mich schminke oder meine Haare mache oder mich anders anziehe wie die dann? Nehmen die mich vielleicht bei sich auf? Das war zum Beispiel mal meine Hoffnung. Und dann hat das halt auch angefangen, dass ich zum Beispiel genau die gleichen Klamotten tragen wollte wie andere Mädchen in meiner Schule. Genau. Damit ich mich nicht ausgeschlossen fühle. Genau. Und dann, irgendwann mit der Zeit, ist das so gekommen, dass ich mich dann auch mit diesen Leuten angefreundet habe und wir sozusagen eine Gruppe geworden sind. Die ist natürlich auch zerbrochen. Dann irgendwann, wo die Schulzeit vorbei war, da verliert man sich ja ganz oft. Ja. Und danach mein Gymnasium. Zeit fürs Abi ist ja noch mal ganz anders. Da hat jeder seinen eigenen Kopf. Da ist es nicht so, dass die Eltern einem sagen: okay, du darfst nicht mit dem rausgehen oder so! Das ist eigentlich ein eigenständiges Denken. Und da war das halt mal so, mal so! Also es gab natürlich Leute, die einen so schief angeguckt haben, wenn man gesagt hat, man ist aus Mazedonien, war das direkt: okay. Aber dann gab es auch welche, die gesagt haben: Nee, so multikulti.
E.I. [00:20:11]
Und wie war das für dich, Wie hast du dich da gefühlt?
DR2.1 [00:20:17]
In welcher Lebenssituation denn genau?
E.I. [00:20:19]
Genau das jetzt, wo du jetzt gerade gesagt hast, wenn jemand jetzt dir das wohl gesagt hat, dass du aus Mazedonien bist, oder? Wie fühlst du dich? Durch das was du gesagt hast über die Sachen, wie man dich ausgegrenzt hat bezüglich deiner Herkunft.
DR2.1 [00:20:41]
Ja natürlich schlecht, weil du hast gar nicht wirklich die Chance irgendwie dich von deiner Art zu zeigen oder von dem Charakter oder so, sondern Menschen schauen einfach nur, woher du kommst. Und da ist schon alles klipp und klar. Und dann denken die einfach nur an die Vorurteile, die uns gegenüberstehen. Und das ist dann für dich mein Charakter. Also ich habe schon Sachen gehört wie: Vorsicht, die klaut. Ich habe schon Sachen gehört, wie: die lieber nicht zu Hause reinlassen. Ich habe schon ganz komische Sachen gehört oder: vertraue ihr nicht zu viel an, die ist aus Mazedonien -da sind ganz viele Roma, also Zigeuner, von denen man sagt… Und genau irgendwann kam das auch mit der Zeit, dass man Witze drüber gemacht hat. Man wollte mir nicht direkt sagen Okay, du bist bestimmt einer, sondern man hat gesagt: Na, du Zigeuner, wenn man, wie ich, irgendwie Scheiße gemacht hat, so aus. einfach aus dem Witz heraus, haben wir gesagt oder so. Oder wenn man irgendjemand beleidigt hat, dann aus Spaß. Wenn die halt dann mit der Sache zurückgekommen, weil die genau die Direktion, sag ich mal, von mir wissen wollten. Und das ist dann auch so zu der Frage, wie ich mich dabei gefühlt habe. Es ist halt so: Du versuchst dir aus Zwang das nicht anmerken zu lassen, dass du wirklich ein Roma bist. Na, weil wir verstecken das ja aus einem bestimmten Grund. Und wenn dann jemand dich so direkt darauf anspricht, dann musst du halt total aufpassen, wie du mit deiner Gestik und Mimik hantierst, damit das nicht rauskommt. Das ist auch sehr viel Druck, der einem gegenübersteht.
E.I [00:22:37].
So, dann bleiben wir mal bei deiner. Schule, Schulzeit noch. Da käme die nächste Frage. Was sind deine stärksten Erinnerungen an deine Zeit als Schülerin? Jugendliche so wie ja, noch frisch. Aber was sind so deine Erinnerungen?
DR2.1 [00:23:00]
Meine Erinnerungen aus meiner Schulzeit? Die aus der Grundschulzeit. Auf jeden Fall dieses ganze Ausschließen. Und so weiter. Das hat mich auf jeden Fall sehr, sehr geprägt, weil ich glaube, ich wäre sehr viel offener, also sehr viel früher sehr offen gewesen. Wenn man mir nicht so das Gefühl gegeben hätte, dass ich schlecht wäre, dass ich komisch wäre, dass ich anders wäre. Genau. Und. Ja.
E.I. [00:23:38]
Okay. Kannst du mir sagen. Noch mal, welche Schule hast du besucht? Die Schule. Hattest du das jetzt? Das war die Grundschule.
DR2.1 [00:23:47]
War die Grundschule. Genau.
E.I. [00:23:49]
Okay. Also hattest du deine stärksten Erinnerungen? Sind jetzt nur diese.
DR2.1 [00:23:58]
Nur schlecht um ehrlich zu sein. Ich habe in der Schulzeit wenig positive Erinnerungen gehabt, außer in meiner Arbeitszeit, weil die Kinder sind tatsächlich sehr ehrlich und sie können auch sehr gemein sein. Und ich weiß nicht, ob es daran liegt, wenn ich darüber nachdenke, wie meine Eltern mich erzogen haben, wäre ich wahrscheinlich nie so gut zu ihnen gewesen, wie sie zu mir waren. Und deswegen habe ich sie auch nie verstanden. Aber die Erinnerungen sind halt einfach schlecht, weil das passiert ist, was passiert ist. Und ich sehr oft gemobbt und herumgeschubst worden bin mit dem Wort: Oh, du Zigeunerin – Steh doch auf! Und so weiter. Also es sind schon ganz, ganz schlimme, auch gewalttätige Angriffe gewesen, in meiner Schulzeit zum Beispiel. Und auch wenn da natürlich eine neunte und zehnte Klasse, wo man dann etwas erwachsener geworden ist. Es gab dort auf jeden Fall einige schöne Erlebnisse. Gab es diese Erlebnisse nur, weil ich mich angefangen habe, ihnen anzuschließen? Weil ich versucht zu sein wie sie. So? Na?
E.I. [00:25:14]
Du hast hier erwähnt, dass du mal eine Freundin gehabt hast. Das war ja in der Grundschule. Wahrscheinlich dann in weiterführende Schulen. Hattest du da welche? So gab es wahrscheinlich wieder die Gruppen. In welche Gruppen hast du dich so wohlgefühlt? Also mit wem hast du am meisten deine Zeit da verbracht? Also aus Gruppen gab es das wahrscheinlich.
DR2.1 [00:25:41]
Also ich habe tatsächlich von der vierten bis zur achten, was sehr unwohles Gefühl, immer in der Schule zu sein. Ich hatte eine Freundin, die war Bulgarin und die, mit der konnte ich mich halt, wir haben uns, wir haben einander verstanden. So, aber so richtig Wohlfühlen war das nicht, weil ich wusste immer, dass andere von mir anders denken, als ich wirklich bin. Und genau erst angefangen richtig wohlzufühlen, habe ich mich, wo ich angefangen habe zu sein, wie sie, ne, mich dann zu adaptieren und dann so Anschluss zu finden und. Genau. Das war dann erst um neunte, zehnte Klasse. Erst da habe ich angefangen, mich wirklich in der in meiner Freundesgruppe. Da hat sich auch eine ganz neue gebildet von ganz vielen Mädels. Da war auch eine, ganz viele, ganz viele Länder waren damit drin. Türken, Italiener, Kurden. Genau. Und erst dort habe ich angefangen, mich wohl zu fühlen. Aber auch nur, weil ich versteckt habe, ich bin natürlich, glaube, hätte ich das wieder offen… Also ich habe es nie offengelegt, aber hätte ich das dann.. mich nicht so adaptiert an deren Dasein, dann wäre das mal anders ausgegangen.
E.I. [00:27:00]
Du hast dich nicht als Roma Mädchen geoutet ?
DR2.1 [00:27:03]
Nein. Das war immer meine größte Angst. Aber Leute wissen das direkt. Da muss man nicht viel Bestätigung geben. Auch wenn ich relativ hell bin. Und so weiter. Genau. Wenn man denen einfach nur sagt: Ich bin aus Mazedonien, ist schon klar. Das ist für die genauso. Die stecken halt alles im Balkan, sozusagen in eine Schublade. Also Bulgaren, Mazedonier usw. für die alles ein Ding.
E.I. [00:27:32]
Ja, du hast erwähnt. Dass es durch die durch deine Erzählung jetzt hast du erwähnt, es gab Konflikte, Mobbing Situationen. Gab es so nennenswerte größere Konflikte, Probleme in deiner Schulzeit oder wo du dich noch da erinnern kannst? Wenn du jetzt etwas mir erzählen möchtest, vielleicht ein Beispiel geben?
DR2.1 [00:28:02]
Ja, beispielsweise in der Grundschulzeit gab es auch schon eine größere Mädchengruppe, die mich immer gehänselt haben usw. Und irgendwann haben die gesagt: Ja, komm mal mit uns mit und ich so: okay. Ich habe mich gefreut, weil ich dachte, endlich will mal jemand mit mir so, mit mir spielen. Ich bin natürlich mitgegangen. Und dann kam dieses: Wir wollen wissen, ob du Läuse hast. Und damals war dieses Läuse Thema in der Schule total bekannt und es war so okay, Leute, Vorsicht! Und dann haben die halt so irgendwas in meinen Namen gemacht und du hast Läuse und so und ich hatte halt keine. Aber es war einfach so. Ja, diese Zigeunerin. Und die hatte bestimmt deswegen Läuse. Bei denen ist das ja normal. Leben ja in Heimen und Containern, habe ich gehört. Also das sind Sachen, die gar nicht stimmen. Also ich habe, um ehrlich zu sein, sehr wenig mitbekommen, dass irgendwelche aus der Community in Containern gewohnt haben. Aber das waren Aussagen von Kindern. Oder in der weiterführenden hat mich auch mal ein Mädchen, obwohl ich nichts, ich habe ihr nichts angetan. Die ist einfach gekommen und meinte: Bist du Zigeuner? Und ich habe sie halt so angeguckt und nicht so, nein. Und dann hat sie angefangen und hat mich so rum geschubst und meinte Zigeunerin und so und solche Sachen. Und ich war ein Kind. Ich war in der sechsten Klasse oder so, genau das gab es. Oder auch mal ein Mädchen – ich weiß auch gar nicht, was das soll – ich hatte mit diesem Mädchen nichts zu tun, rein gar nichts. Aber es hat sich natürlich rumgesprochen: Ey, da ist eine die sieht bisschen so, sie ist ein bisschen dunkler. Und die kommt aus Mazedonien. Das ist bestimmt eine Zigeunerin. Und ich weiß nicht wie, aber ich bin einfach nur am Gang rumgelaufen und sie ist von hinten auf mich gesprungen und hat mich so zu Boden gedrückt. Und danach? Bin ich halt auch ein bisschen ausgeartet. Wenn man mich so angreift, dann habe ich ja auch eine gescheppert (lacht) sage ich mal und dann kann man ja nur: Ja, guck mal die scheiß Zigeunerin, wie die sich verhalten usw. Obwohl, mein Verhalten war natürlich nicht richtig, gewalttätig zu werden. Aber mein Gott, in der achten Klasse, da weiß ich jetzt nicht so viel, wie man richtig handelt. Das war total impulsiv und aus Emotionen heraus. Aber es war halt scheiße, dass man so sagt: Ja, die Zigeunerin guckt, wie sie handelt.
E.I. [00:30:31]
Okay, so können wir zu deiner Familie gehen? Ein bisschen. Kannst du mir deine Familie erzählen? Und deine Vorfahren? Was du darüber alles weißt?
DR2.1 [00:30:48]
Also einiges. Also, ich weiß, dass unsere Familie sehr traditionell ist. Also, bei uns läuft irgendwie alles nach Vorschrift sag ich mal, ne. Ich meine, ich weiß auch, dass das total, früher total normal war, Dass wir alle beieinander gelebt haben. Alle nebeneinander. Es ist auch heute noch so! Tatsächlich, mein Onkel wohnt ja direkt neben uns. Na, wir versuchen immer irgendwie beieinander zu bleiben und uns nicht aus den Augen zu verlieren, weil wir eben die einzigen Menschen sind, die einander verstehen. So wirklich. Genau. Und? Ja.
E.I. [00:31:28]
Was weißt du über die Geschichte von deinen Vorfahren? Du hast ja auch ein bisschen erzählt. Also Vorfahren und zum Beispiel deine Großeltern.
DR2.1 [00:31:42]
Also ich weiß, dass meine Großeltern es auch total schwer hatten in Mazedonien damals. Und damals Jugoslawien gab es wohl auch so eine Zeit, wo Männer aus dem Osmanischen Reich bei uns eingetreten sind und halt versucht haben, Roma zu unterdrücken und sie zu seinesgleichen zu machen. Also wir mussten uns dann verstecken, damit wir nicht geschlagen oder was weiß ich was werden. Und dann mussten wir zum Beispiel anfangen, türkische Namen zu übernehmen oder die türkische Sprache zu übernehmen, uns anzuziehen wie sie. Genauso wie ich jetzt in meiner Schulzeit mussten die halt damals im Land machen, tatsächlich damit sie keine Gewalt erleiden müssen. Ja.
E.I. [00:32:33]
Wer hat dir davon erzählt?
DR2.1 [00:32:34]
Mein Papa. Meine Großeltern habe ich leider nie kennengelernt. Aber durch meinen Vater habe ich so einiges erzählt bekommen, wie das so damals war, wie die Schwierigkeiten mit dieser Situation hatten.
E.I. [00:32:58]
Weißt du vielleicht,
welche Beziehung von Erzählungen jetzt deine Großeltern zu anderen Familienmitgliedern aus der Roma Community hatten?
DR2.1 [00:33:08]
Ja, sehr enge sogar. Also ich weiß, dass meine Großeltern – generell meine Eltern damals auch – , die hatten natürlich auch Kontakte zu wichtigen Leuten aus Mazedonien, also keine Roma so, aber sie waren halt mehr natürlich in dem Roma Kreis. Also da waren Nachbarn oder was weiß ich was und die waren halt alle immer sehr eng. Weil das war alles wie Familie, das war alles so klar, Die verstehen uns und mit denen können wir reden und die gucken. Man weiß einfach, wenn man mit einem Roma redet, okay, der guckt mich jetzt nicht so schief an oder so, ich muss mich jetzt nicht, Ich muss jetzt nicht aufpassen, wie ich mich verhalte oder was ich von mir sage, genau
E.I. [00:33:53]
Kannst du vielleicht durch die Erzählungen die Beziehung zwischen deine Eltern und deine Großeltern beschreiben.
DR2.1 [00:34:04]
Ich denke, dass das auf jeden Fall eine engere Beziehung war, als ich zu meinen Eltern habe. Und ich habe eine sehr enge Beziehung mit denen. Aber damals war das halt so, dass man jeden Tag beieinander war. Da war das auch noch nicht so, wie das halt in Deutschland ist – merkt man es halt – jeden Tag arbeiten. Und so weiter. Klar war man dort auch arbeiten, aber die Familie ist halt an erster Stelle und die waren sehr eng miteinander, auch mit anderen Kreisen. Von Oma, Tante, Cousine, Cousin. Das war alles. Immer an einem Tisch. Jeden Tag.
E.I. [00:34:47]
Wie würdest du deine Mutter beschreiben?
DR2.1 [00:34:50]
Meine Mutter. Um ehrlich zu sein, das ist ein bisschen schwer. Es ist halt eine Mutter. Genau. Die kann man ein bisschen schöner beschreiben. Es ist halt eine Mama. Wie jede Mama ist sie liebevoll. Aber sie hat auf jeden Fall Dinge durchgemacht, die nicht jede Mutter durchmachen muss. Sie war diejenige, die mich zum Beispiel das erste Mal so wirklich durchmachen gesehen hat. Sie hat gesehen, wie sehr ich daran gelitten habe, dass man mich damals so ausgegrenzt hat. Weil mein Vater war damals noch selbstständig und immer am Arbeiten. Meine Mama war diejenige, die mich abgeholt hat, in der Schule immer für mich da war und mich getröstet hat und versucht hat, mir zu erklären, dass es nicht an mir liegt, dass Kinder nicht ausgrenzen, sondern einfach daran, was deren Eltern denen sagen und dass sie einfach anders erzogen worden sind als ich. Meine Mutter war eine sehr… Sie war auch nie so böse auf diese Kinder, dass sie so zu mir waren und immer Verständnis gezeigt. Kinder, die können nichts dafür. Was, wenn sie so was beigebracht bekommen, dann denken die so! Genau.
E.I. [00:36:04]
Wie hast du dich dabei gefühlt? Hast du dich? Schlecht gefühlt über deine Mutter. So eine. Oder wie hast du das Gefühl, das für dich. Wie war das?
DR2.1 [00:36:16]
Also, ich weiß, dass ich sehr traurig war und sie das sehr mitgenommen hat. Natürlich. Wenn dein Kind weint, nach Hause kommt und sagt: Ich möchte nicht gehen. Das nimmt sie sehr mit. Und das hat mich natürlich auch mitgenommen, weil ich damals nicht verstanden habe, warum meine Mutter so traurig war und. Genau. Also war natürlich nicht schön, aber es hat auch mir viel mehr, mich viel näher zu meiner Mutter gebracht, weil sie mir gezeigt hat, dass ich stark sein muss und dass es wirklich nicht an mir liegt. Und.
E.I. [00:36:51]
Was für eine Beziehung hast du mit deiner Mutter?
DR2.1 [00:36:55]
Ja, was halt eine Mutter mit ihrer Tochter haben kann. Eine relativ enge, schöne Bindung ist das. Sie ist die Person, die mir sehr viel Mut zuspricht. Schon als kleines Kind bis heute. Und ich denke auch mit meinem heutigen Selbstbewusstsein hat das auch sehr viel mit meiner Mutter zu tun, weil sie mir sehr früh schon mitgegeben hat. Also so die richtigen Werte vermittelt hat. Dass das überhaupt nicht wichtig ist, zum Beispiel, woher jemand kommt. Also solche Sachen halt, oder dass ich nichts damit zu tun habe. Wie gesagt, dass man mich so hänselt oder ausgrenzt.
E.I. [00:37:40]
Wie würdest du deinen Vater beschreiben?
DR2.1 [00:37:43]
Mein Vater ist. Also der ist für mich immer noch so ein Fragezeichen. Er ist halt so die Person, die als erste, also vor meiner Mutter natürlich nach Deutschland gekommen ist, der so die meiste Zeit durchgemacht hat, also die meiste schwere Zeit durchgemacht hat, Weil zu dem Zeitpunkt, wo meine Mutter nach Deutschland gekommen ist, hatte mein Vater schon seinen Pass und seine Wohnung und Auto, Job usw. Und mein Vater ist ja wirklich hingekommen wo er nix hatte und wirklich neu einen Asylantrag beantragen musste. Und wirklich so? Ich hatte ein sehr, sehr viel. Stärke bewiesen, sage ich mal, und diese Stärke hat er mir auch sehr, sehr mitgegeben. Wenn ich mir anschaue, was er für Probleme damals hatte in meinem Alter oder als er 26-mal nicht hingekommen. Was er dafür Probleme hatte. Das ist gar nicht vergleichbar mit dem, was ich hatte oder habe. Deswegen. Nur eine sehr, sehr große Vorbildfunktion für mich, denn er musste sehr viel Diskriminierung und Mobbing und solche Sachen auch durchmachen und er hat sehr stark drübergestanden und hat auch wirklich was aus sich gemacht, obwohl man leider. Auch in so einem sozialen Land nicht oft die Möglichkeit bekommen, von gehobeneren Personen sich als Roma oder Ausländer zu beweisen.
E.I. [00:39:18]
Deine Beziehung zu deinem Vater.
DR2.1 [00:39:20]
Sehr eng
DR2.1 [00:39:22]
Sehr eng. Das ist wie mein bester Freund. Einfach.
E.I. [00:39:28]
Wie würdest du den Einfluss deiner Mutter und einen Vater auf dein Leben vergleichen?
DR2.1 [00:39:35]
Riesig groß also. Ich glaube, meine Eltern werden es wie bei jedem Kind auch. Wenn die nicht wären, dann werden wir gar nichts. Aber meine Eltern sind halt so genau wie ältere Geschwister. Die haben einem das Leben schon vorgelebt. Die kennen diese Hänseleien, die kennen dieses auch von erwachsenen Personen so komisch angeguckt zu werden. Okay, das ist ein Roma Kind. Vorsichtig wie man mit der umgeht. Die kennen das alles schon. Die haben mir das schon alles gesagt und mich gewarnt. Und sei hier vorsichtig, lass dein Herz nicht zu deinen Freunden. So na aber wenn das rauskommt das wir Roma sind, dann ziehen sie sich zurück Und ich weiß auch, früher habe ich das etwas böse genommen das sie so was gesagt haben, weil ich meine Freundin mal Schutz genommen habe, ich damals nur gefunden habe. Aber im Endeffekt wollten sie mich eben damit einfach nur schützen, weil es ist halt eine Sache, die sie wie gesagt schon durchgemacht haben. Genau.
E.I. [00:40:37]
Hast du Geschwister?
DR2.1 [00:40:38]
Ja. Ein kleiner Bruder, wie erwähnt.
E.I. [00:40:41]
Ja, tatsächlich erwähnt. Was macht dein Brüder zu zeit
DR2.1 [00:40:47]
Mein Bruder Geht auf die gleiche Realschule, wie ich damals war und ist jetzt komplett in der zehnten Klasse in ein paar Wochen. Und ja. Ja.
E.I. [00:41:02]
Inwiefern? Wenn du jetzt erwähnst, dass eine gleiche Schule ist, inwiefern hast du deinen Bruder so irgendwie beeinflusst?
DR2.1 [00:41:11]
Äh. Dies war auch so eine Person, die in der Grundschulzeit auch sehr viel Diskriminierung und Mobbing erleben musste, genauso wie von Kindern wie auch von Lehrern Lehrkräften. Und ich war halt auch genauso die Person, wie meine Mutter für mich damals war. Meine Eltern haben sehr früh wieder mit der Arbeit angefangen, dementsprechend war mein Bruder und ich oft alleine miteinander zu Hause und ich habe ihm sehr oft mitgegeben, was meine Mutter mir mitgegeben hat. Dass er zum Beispiel. Und das nicht persönlich nehmen soll. Und so weiter, dass dieses anders nicht mitbekommt. Er hat auch sehr viel drunter gelitten, weil er auch nie verstanden, warum die Kinder ihn so hänseln und er dementsprechend. Weil er dann sehr vom Selbstbewusstsein hat es extrem abgenommen. Dann wurde er auf die weiterführende Schule gegangen, ist also auf meine jetz . Das. Da war ich auch noch. Also da, wo er auf mich, auf meine Schule gekommen ist, war ich noch in der Neunten oder in der Zehnten. Und er hat sich auch anfangs gar nicht getraut, irgendwie zu Kindern hinzugehen und mit den zu spielen, weil er das nicht kannte und es aus der Grundschulzeit hatte. Einfach Angst, so zum Schluss finden zu wollen überhaupt, weil er Angst vor Ablehnung hatte. Und ich bin dann diejenige gewesen, die dann so zu den Kindern hingegangen ist und meinte, dass mein kleiner Bruder nimmt den doch mal mit und macht mal was zusammen. Und genau und ich denke schon, dass er so von mir zum Beispiel gelernt hat, dass er sich anpassen muss und dass er sich. Befreien muss von dieser Angst, weißt du? Ja.
E.I. [00:43:05]
Was gibt es? Oder gibt es irgendwas, dass dich und deinen Bruder so besonderes unterscheidet?
DR2.1 [00:43:14]
Alles. (lacht) Wir sind tatsächlich sehr, sehr unterschiedlich. Es hat sehr viel schneller Zugehörigkeit gefunden bei Kindern auf der Schule als ich damals. Ich habe sehr, sehr lange gebraucht, weil ich eben alleine war. Nicht wie die älteste Schwester. Ich bin so die, die das alles erst mal durchmachen muss und das dann ihrem kleinen Bruder beigebracht hat. Also er hat es denke ich mal um einiges leichter gehabt als ich. ähm vor allem, weil mich die Lehrer zum Beispiel schon kannten und dann hatten die schon okay. Die [Name] ist so und so, dann ist der Bruder bestimmt auch so, weil die Lehrer hatten auch am Anfang sehr viele Vorurteile mir gegenüber. Und ja. Ich denke, dass sich das gelegt hat, wenn man schon jemanden aus der Familie kennt. Dann weist man Okay, hier können wir ruhig sein, da wissen wir schon, wie die Eltern. sind und so
E.I. [00:44:16]
Was machst du zu Zeit?
DR2.1 [00:44:18]
Zurzeit arbeite ich einfach nur Teilzeit, Teilzeit bei Rituals und warte, bis mein Studium beginnt.
E.I. [00:44:26]
Sie haben jetzt für die Zeit nach der Schule Arbeit erste Stelle für dich genommen. Wie ist das für dich jetzt. Eben nach der Schule.
DR2.1 [00:44:38]
Ja, eigentlich ganz viel besser. Auf jeden Fall. Da bist du dann mit erwachsenen Leuten zusammen. Und die interessiert natürlich dein Privatleben, woher du kommst. Und so weiter. Und das ist halt das Gute. Das ist der Unterschied zur Schule. In der Schule guckt man eher darauf aus, was für ein Familienhaus kommt die Wie sind die Eltern? Sind die Arbeiten die Eltern? Das ist eine sehr, sehr große Frage, die meistens von Lehrern gestellt wird, ob die Eltern wirklich Arbeiten. ähm Und die sind dann schockiert gewesen, dass wir selbstständig sind. Mein Gott! (lacht) Und. Genau. Und im Arbeitsleben ist das halt nicht so Arbeitsleben ist das alles ein bisschen lockerer. Aber natürlich wird da natürlich ein bisschen. Mal nach oben gehen möchtest und mal eine höhere Stelle haben möchtest. Sagen, die hat immer so, da kam bei uns jemand anderes in Frage. Und genau.
E.I. [00:45:41]
Nach der Schule. Na, wie hast du denn deine Zeit verbracht? Na also, direkt, wenn du nach der Schule verlassen hast.
DR2.1 [00:45:50]
Nicht besonders. Ich habe direkt angefangen zu arbeiten. Ich habe meinen Führerschein noch während meiner Schulzeit beendet und dementsprechend habe ich noch nach der Schule angefangen zu arbeiten, um mir ein Auto zu kaufen, mit der Zeit, um mir einige andere Dinge zu finanzieren, wie zum Beispiel mein Studium. Genau. Solche Dinge halt. Also ich habe eigentlich nur gearbeitet. Um mich ein bisschen ausgeruht von dieser Schulzeit.
E.I. [00:46:23]
Du darfst ja wieder trinken. ne.
DR2.1 [00:46:24]
Ja, danke. (lacht)
E.I. [00:46:26]
Schäm dich nicht so! Gehen wir zur nächste Frage Gibt es besondere Menschen oder Orte, die in deine Zeit als junge Erwachsene jetzt Besonderes geprägt haben?
DR2.1 [00:46:42]
Die mich besonders geprägt haben? Also Erwachsene. Allererster Punkt. Mein Papa, mein Vater sehr selbstständig und dementsprechend habe ich auch sehr, sehr früh angefangen bei ihm im Laden zu arbeiten. Mit zehn Jahren stand ich da hinter der Theke und das ist eine Sache, die mein Leben als. Mein Leben jetzt sehr beeinflusst hat. Also ich war wie gesagt sehr zurückgeschossen, habe mich nicht wirklich getraut mit Älteren oder Gleichaltrigen, vor allem vor allem Gleichaltrigen. Ich hatte sehr Angst vor gleichaltrigen Kindern. Und dort habe ich angefangen mit erwachsenen Leuten zu reden, weil dahin kommen halt nur erwachsene Leute in den Laden und dort habe ich gemerkt, dass die mich beispielsweise ganz anders angesehen haben, gar nicht wie Kinder in meinem Alter. Und dort habe ich angefangen, mich wohl. Und es ist halt bis heute noch so, dass ich mich bei älteren Leuten einfach wohler fühle als bei Leuten in meinem Alter.
E.I. [00:47:49]
Du wohnst ja noch bei in dein Elternhaus. Sagen wir mal so, gehen wir zu Nächste Frage. ähm. Wo? Wo hast du dich jetzt als Erwachsene wohlgefühlt? Wenn, du bist jetzt eine erwachsene Frau. Wo hast du dich wohl gefühlt?
DR2.1 [00:48:17]
Schwer also. Es ist tatsächlich so, dass man, egal wo man hingeht, man sich irgendwie nie richtig zugehörig fühlt als. Oma Kind zum Beispiel. Ich bin kein Kind, was jetzt perfekt sprechen kann. Ich habe auch sehr wenig mit irgendwelchen Roma Kindern zu tun gehabt und ich kann die Traditionen usw. aber natürlich nicht wie andere Kinder, die in diesem Kreis aufgewachsen sind. Dementsprechend, wenn ich dort war, war ich ein bisschen anders als die. Und wenn ich dann in meinem Freundeskreis war, wusste ich, ich bin aber auch nicht wie die. Aber ich kann auch gar nicht sagen, wer ich wirklich bin, weil ich dann weiß, was auf mich zukommt. Deswegen so wirklich wohl. Sein. Ist man nur alleine dann, wenn man nicht mit diesen Roma Leuten aufgewachsen ist. Dann ist man halt nur.
E.I. [00:49:17]
In welche Gruppen von deinen Umkreisen fühlst du dich zugehörig?
DR2.1 [00:49:26]
Ich habe es schwer. Die Frage. Wie gesagt, ich fühle mich bei der einen nicht wohl und bei dem anderen weiß ich, die wissen gar nicht, wer ich bin. Wenn ich jetzt sagen würde, wie ich bin, dann wäre alles wieder anders. Deswegen. Zugehörig. Natürlich, weil ich mich anpassen muss. Dann eher bei meinen Freunden. Weil ich mit denen halt auch die meiste Zeit bin und. Genau halt dann Eher dort. Tatsächlich als bei anderem Roma.
E.I. [00:50:01]
Welche Gefühle hat das ermöglicht? Also für dich gehabt, wenn du jetzt das denkst, also was für Gefühle hast du da? Sie erwähnt diese Gruppe nicht.
DR2.1 [00:50:16]
Ja, das ist halt voll verwirrt. Verwirrend. Ähm. Es ist halt einfach ein bedrückendes Gefühl, oder? Du bist immer auf dich allein gestellt. Also das ist so! Ich bin gar nicht so bei diesen Kreisen aufgewachsen und die sind halt andere Kinder eben schon. Und die sind dann natürlich viel integrierter als ich in Sachen Tradition, in Sachen Verhalten, in Sachen.ne Wieso ein Plan, ein Lebensplan bei Familien aussieht. Die wissen da ein bisschen mehr als ich, weil ich eben mich eher in andere Kreise integriert habe als dort. Und. Genau deswegen dort, wo. Weil die sich auch ganz anders verhalten. Aber auch mein Freundeskreis. Wie gesagt. Es ist spaßig. Und so weiter. Aber so für ernste Dinge. Ist man da eher alleine.
E.I. [00:51:24]
Du hast erwähnt, dass du jetzt arbeitest. Auch das ist dein erster Arbeitsplatz?
DR2.1 [00:51:33]
Ich habe ja bei meinem Papa gearbeitet, ganz viele Jahre. Dort bin ich aufgewachsen, praktisch in diesem Betrieb. Und dann habe ich. In der Eisdiele das allererste Mal gearbeitet, mit 16 oder 17. Aber Gastronomie war halt nichts für mich. Dann habe ich eigentlich ziemlich schnell aufgehört und dann war das. Im letzten Weihnachten habe ich dann angefangen, als Weihnachtsaushilfe dort zu arbeiten und die haben mich dann noch mal angerufen und gefragt, ob ich noch Interesse an einer Vollzeitstelle hätte. Und ich meinte ja, weil mir die Arbeit total gefallen hat dort übergangsweise. Und genau jetzt habe ich dort erstmal Teilzeit angefangen, um mich so langsam ins Berufsleben zu finden. Und danach steige ich auf Vollzeit.
E.I. [00:52:21]
Wieso hast du dich für diesen Arbeitsplatz entschieden?
DR2.1 [00:52:24]
Weil ich mich dort tatsächlich sehr wohl gefühlt habe. Das ist so! Mein safe place, kann man sagen. Ich bin dort angekommen und das ist so jeder hat dort seine Aufgaben gehabt. Ich habe manchmal einfach für mich allein gearbeitet, so Produkte aus dem Lager holen und man war halt einfach für sich allein in Gedanken. Und da ist auch keiner, der die ganze Zeit so neben dir steht und sagt Ja, du musst jetzt noch das machen und das noch schreiben und das noch tun. Genau deswegen habe ich, habe ich mich in der Arbeit sehr wohlgefühlt. Und das war das erste Mal, dass man richtig gespürt hat, dass man was als Team erreicht. Ich habe ja in der Weihnachtszeit angefangen und das ist eine sehr, sehr stressige Zeit, wenn man in so einer Art Parfümerie arbeitet. Und da hat man es halt so das erste Mal als Team gemeistert, beispielsweise Umsätze zu erreichen oder dass alle Kunden wirklich bedient sind. Und so war es. Und es war dann immer richtig cool, eines Tages zu sehen, was man gemeinsam erreicht hat. Und so habe ich mich da wohlzufühlen und das wusste meine Chefin auch und das auch wieder zurückgeholt, weil mir die Arbeit sehr gefallen hat.
E.I. [00:53:34]
Kannst du mir beschreiben, wie dein. Arbeitsumfeld so genau wie Kolleginnen Vorgesetzte. Bist du zufrieden mit der Bezahlung? Und so weiter.
DR2.1 [00:53:46]
Ja, die Bezahlung ist sehr gut. Ist ja auch mein erstes richtiges Gehalt. Ja, wenn man wirklich etwas anfangen kann. Darüber kann ich erst mal nicht meckern. Kollegen ist halt alles in sehr lockeres Umfeld. Man hat jetzt keinen engen Kontakt. Man ist ja wie gesagt nicht befreundet, sondern einfach nur. Und nur während der Arbeitszeit, um sich die Zeit zu vertreiben oder um sich einander zu helfen, Aufgaben zu meistern und. Genau. Arbeitstechnisch sah alles easy. Genau.
E.I. [00:54:24]
Welche Probleme oder Konflikte? Hast Du haben dich begegnet auf deinem Arbeitsplatz.
DR2.1 [00:54:32]
Um ehrlich zu sein, gar keiner. Also ich habe eigentlich nur positive Erfahrungen gemacht, weil ich dort eben mit älteren Menschen arbeite, tatsächlich so, dass ich schon viele ältere Menschen arbeiten kommen und. Genau. Das ist halt. Ich habe eigentlich immer nur positive Rückmeldungen bekommen über mein Erscheinen, über mein Verhalten, über meine Beratungen oder mein freundliches Lächeln oder Gesten, die ich gegeben habe. Also nie was Schlechtes eigentlich.
E.I. [00:55:04]
Und davor hast du Eisdiele erwähnt. Wie war es da? Gab es da etwas.
DR2.1 [00:55:12]
Nein, eigentlich nicht. Es war einfach nur nicht so mein Ding. Also so Gastronomie. Kellnern ist nicht so meins gewesen. Deswegen habe ich dort auch sehr früh aufgehört.
E.I. [00:55:28]
Jetzt habe ich mal eine andere Frage für dich Welche Rolle spielt die Identität als Roma Frau, junge Roma, junge Frau im Alltag.
DR2.1 [00:55:41]
Im Alltag? Also da ich das nicht preisgebe, dass ich einen Roma bin, natürlich nicht so viel wie bei anderen Menschen. Ich sage halt immer, dass ich aus Mazedonien bin, aber das ist halt so Wenn man jemanden sagt, was du willst, dann ist das immer so Ach, echt? Ihr seid aber Muslime und seid ihr dann Albaner? Und dann sagst du nein und dann wissen die direkt okay, dann fragen die Roma und das wird dann für eine Person, die selber Roma ist, hektisch ist, zu verneinen. Also es wird so unangenehm einfach. Ich rede total ungern über meine Herkunft, weil ich nie weiß, wie ich mich da rausreden soll, falls mich jemand direkt darauf anspricht, ob ich ein Roma bin, weil ich das nicht preisgeben möchte. Genau. Was halt auch nicht gut ist. Das ist mir total bewusst, weil ich finde, wenn man, wenn wir Roma so weitermachen und immer uns verstecken, sag ich mal, dann wird das ja immer so weitergeführt und da wird nie irgendjemand herausstechen und sagen Hey, wir sind gar nicht so, wie alle sagen. Genau. Also nicht so eine große Rolle im Alltag. Aber halt. Herkunft ist halt so eine herkömmliche Sache. Wenn ich anfange zu arbeiten oder zu studieren, fragt jeder Ey, woher kommst du eigentlich? Und dann ist es halt immer total unangenehm zu reden, wenn man weiß nicht die Wahrheit. Ja, es ist hart.
E.I. [00:57:09]
Was waren die größten Schwierigkeiten für dich, die du als Erwachsener begegnet hast?
DR2.1 [00:57:18]
Die größten Schwierigkeiten. Nicht viel, um ehrlich zu sein. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich auch nicht aussehe wie eine typische Roma. Man sagt ja bei Roma, die sehen, die sind dunkel und die tragen Röcke und Gold und. Nee, aber ich bin halt hell. Und ich trage zwar gerne Gold, aber jetzt kein dickes Gold wie die Frauen. Ich trage auch keine Röcke, und ich lebe auch nicht in Containern. (lacht) Und ja, deswegen so richtig Schwierigkeiten. Gab es da nicht.
E.I. [00:58:04]
Gab es andere Schwierigkeiten für dich, unabhängig davon von deine Roma Hintergrund? So als Erwachsene.
DR2.1 [00:58:15]
Natürlich. Also es muss ja gar nicht sein, dass Leute denken, dass ich Roma bin. Manchen schon zu hören, dass ich Ausländerin bin. Es ist halt immer so, vor allem woher du bist, werde ich auf der Arbeit gefragt Ja, woher kommen sie denn, wenn ich fragen darf? Und dann sind die immer so: Ach echt? Sie sehen aber total orientalisch aus und sie sehen irgendwie türkisch aus. Aber sie sind viel zu hell für eine Türkin und dann hinterfragen sie mein Aussehen. Und das hat eigentlich. Also ich finde das auch nicht viel mit Ethnie zu tun hat. Dann wird das noch mal schwerer, sich da rauszureden.
E.I. [00:58:56]
Wie gehst du damit um? Wie ist das für dich?
DR2.1 [00:59:00]
Da habe ich noch nicht so richtig einen Weg für mich herausgefunden, tatsächlich. Das ist so! Man versucht einfach irgendwie ruhig zu bleiben, damit es erst mal gar nicht auffällt, dass man sich jetzt irgendwie gekränkt fühlt oder so was. Weil wenn jemand sich beleidigt fühlt oder gekränkt, dann geht man okay. Er ist es, der ist einzigartig. Und deswegen versuche ich da immer so: Nein, so und ja, ich habe mich auch selber oft dabei erwischt, wie ich meine eigene Herkunft runtergemacht habe, damit ich eben auf gar keinen Fall so angesehen werde. Damit man denkt okay, ich bin wie die und nicht wie halt ein normaler Roma.
E.I. [00:59:47]
Wer hat dir. Wer hat dich unterstützt? Zum Beispiel, wenn du Schwierigkeiten hast oder dir Lösungen für deine Schwierigkeiten. Geholfen. Dir eine Lösung gegeben.
DR2.1 [01:00:04]
Es ist halt so ein Thema. Und damit kann man nicht wirklich mit vielen Leuten drüber reden. Zum Beispiel meinem Papa, Mama. Die wissen natürlich, dass es für mich schwer ist. Die wissen das genauso von sich selber. Nur bei denen ist das zum Beispiel so Die können mazedonisch sprechen, Ich kann kein Mazedonisch, ich kann nur Romanes ein bisschen und. Bei denen ist das halt. Wenn jemand sagt, er sagt mir was auf Mazedonisch, dann kann ich eben mal was sagen. Aber ich eben nicht. Und dann ist das ja okay. Wie bist du denn aus Mazedonien? Und dann? Da fragen Leute: Was? Und dann sage ich mit meinen Eltern: Ja, so, so, dann sagen die lernen Mazedonisch. Aber das ist halt auch so eine Sache. Ich identifiziere mich gar nicht mit diesem Land, weil ich dort nie bin. Und ich bin dort nicht aufgewachsen. Das ist auch nicht wirklich meine Herkunft. Ich habe auch nicht deren Traditionen deswegen. Hat eigentlich rein gar nichts mit mir zu tun. Es ist einfach wie eine Fremdsprache lernen.
E.I. [01:01:07]
Okay. Nächste Frage. Inwiefern spielt Religion oder ein Glauben für dich eine Rolle?
DR2.1 [01:01:21]
Tatsächlich, ich bin total ohne Religion aufgewachsen. Meine Eltern kommen aus einer kommunistischen Zeit. Weswegen Religion nicht viel, eine Rolle gespielt hat, also mir wurde immer gesagt: Es gibt einen Gott. Aber mehr auch nicht. Wir haben muslimische Feste gefeiert, aber auch orthodoxe, weil meine Eltern eben aus dem orthodoxen Land kommen. Genau. Und dadurch, dass ich mich in diesem türkischen kurdischen Kreis aufgehalten habe, ist natürlich die erste Religion, die so richtig krass vom nahen kennengelernt habe, der Islam. Bei mir ist das auch so, dass in der Familie alle sagen wir sind Muslime, aber so wirklich praktizieren tut keiner. Also ich hatte niemanden, bei dem ich jetzt fragen konnte: Okay, was ist der Islam eigentlich? Was bedeutet das eigentlich? Ich habe das dann ja von Freunden gelernt und mir mit der Zeit auch einige Dinge beigebracht. Selber ganz alleine. Ähm. Genau. Also mittlerweile spielt es schon eine große Rolle, weil es eine Art Lebensführung ist und auch um ehrlich zu sein, eine Sache, mit der ich lerne, mit diesem Roma Dasein umzugehen. Weil im Islam ist das halt nicht so, dass wir Roma oder Mazedonier oder Türken oder keine Ahnung Deutsche sind, sondern wir sind alle Muslime und da unterscheidet man halt nicht.
E.I. [01:02:53]
Jetzt Mal eine andere Frage. Also, was waren deine größte Glücksmomente in deinem Erwachsenenleben?
DR2.1 [01:03:07]
Ja, so ein Glücksbringer. Glücksmoment ist zum Beispiel die Schullaufbahn gewesen. Ich habe als Kind nie von mir erwartet, dass aus mir jemals ein, dass ich jemals mein Abi machen werde. Ich habe immer gedacht, wegen meiner Grundschulzeit, dass ich immer runtergemacht werden werde, auch von Lehrkräften und dass ich es eigentlich niemals soweit schaffen werde. Deswegen war das auch nie mein Ziel. Mein Ziel war irgendwie einfach nur wenigstens mein Hauptschulabschluss zu schaffen oder Abschluss und danach eine Ausbildung als medizinische Fachangestellte zu machen zum Beispiel. Also so total gar nicht, was ich jetzt gerade mache. Ja, und dann hat sich das halt alles anders ergeben. Und ich habe viel mehr aus mir gemacht, als ich von mir selber hätte denken können. Eben deswegen, weil ich eben so oft untergemacht worden bin, habe ich auch von der Lehrerin damals gehört bekommen, dass ich es niemals schaffen werde auf eine Realschule und dass sie mir das auf gar keinen Fall empfehlen würde. Sie war der Meinung, dass mein Deutsch nicht einmal gut genug wäre, dass es auf gar keinen Fall stimmt. Ich mein, Deutsch war eigentlich schon ziemlich gut, auch als Kind.
E.I. [01:04:30]
Okay. Dann wünschst du dir eine eigene Familie. Eigene Kinder.
DR2.1 [01:04:38]
Klar. Ja. Aber da stellt sich doch wieder einige Fragen. Also klar möchte man Kinder haben und eine Familie. Da ist halt noch die Frage mit wem? Ich weiß auch, dass einige Roma Familien nicht soweit integriert sind wie wir jetzt. Zum Beispiel dass die weiter zurückgehen oder so und. Da ist auch die Frage so schwer jemanden anderen heiraten aus einem anderen Land, wenn man da wieder die Angst hat: Okay, wenn ich jetzt sage, dass ich Roma bin, vielleicht, akzeptiert er mich, weil er mich liebt. Aber seine Eltern werden das natürlich nicht akzeptieren oder sie werden irgendwas dagegen sagen. Es werden Kommentare fallen. Und das ist halt auch wieder so die Sache, wo man sich jetzt zugehörig fühlt. Und da ich das nicht weiß, ist es für mich sehr schwer.
E.I. [01:05:33]
Ja. Was? Was weißt du denn über dein Herkunftsland? So, du kommst ja. Hast du ja eben erwähnt. Und hast du dich auch so geoutet? Woher kommst du? Nach der Frage hast du gesagt aus Mazedonien. Was weißt du über dein Herkunftsland?
DR2.1 [01:05:53]
Absolut gar nichts. (lacht) Also, ich war da, glaube ich, drei Mal in meinem Leben. Man versucht sich mit der Zeit, wo man heranwächst, irgendwie irgendwas von dieser Tradition dort mitzunehmen. Das Essen dort mitzunehmen, ein bisschen was von der Sprache, so ein paar Beleidigungen, damit man irgendwie von sich behaupten kann, dass man aus diesem Land kommt. Aber so wirklich was mitgenommen von diesem Land habe ich nichts, weil ich an sich mit dir nichts zu tun habe. Genau. Aber. Ja.
E.I. [01:06:32]
Okay. Was hat dir dein Lebensweg am meisten geprägt? Dein Lebensweg, also durchaus ziemlich jung war. Was würdest du dir so, etwas denken, wo du geprägt dich gefühlt hast?
DR2.1 [01:06:57]
Es gibt einige Dinge, die einen prägen. Es kann schon so kleine Streitereien sein. Es können Hänseleien sein, es können Schlägereien sein.
E.I. [01:07:05]
Kannst du mir ein Beispiel nennen oder etwas?
DR2.1 [01:07:10]
Zum Beispiel jetzt diese Sachen, die mir da mit den Kindern passiert sind in der Grundschule. Das sind zum Beispiel Punkte, die mich sehr geprägt haben oder zum Beispiel habe ich ja schon erwähnt, ich bin im Betrieb von meinen Eltern aufgewachsen und dort war ich wie gesagt immer nur mit älteren Menschen in Kontakt und wenig mit Kindern. Und dementsprechend konnte ich sehr früh mir so Redewendungen aneignen, wie ich so zum Beispiel formeller reden kann als andere Kinder. Ich habe sehr häufig mit 13 oder so angefangen, Telefonate für meinen Vater und seine Sekretärin zu beantworten oder Emails und sowas. Und das können meine Freunde vielleicht jetzt gerade mit ihrem Alter und meinem Alter noch nicht mal! Also die hängen da ein bisschen weiter zurück. Das sind so Sachen, die mich echt geprägt haben. Die Arbeitswelt. Ja. Gab einige Personen zum Beispiel. Ich weiß noch, das ist eine richtige Story. Es gab eine Frisörin, die um die Ecke von meinen Eltern einen Laden hatte, und ich war jeden Tag bei ihr. Also wir waren einmal dort, Haare schneiden und immer so um mich gekümmert. Und so weiter. Und sie wusste auch, dass wir eine Familie sind und sie selber war deutsch und sie hat mich so herzlich bei sich aufgenommen. Und ich war dann ab diesen Tag jeden Tag bei ihr im Laden. Habe ich dort meine Sachen erledigt, meinem Papa geholfen und bin dann zu ihr geflitzt. Und dann saßen wir da und wir haben immer über alles Mögliche geredet und sie hat mir immer ihre Sicht auf Ausländer in Deutschland erzählt. Ihre Sicht auf Roma in Deutschland, wie sie mich sieht und das dann. Dort habe ich verstanden, dass nicht alle mich so sehen wie Kinder aus meiner Schulzeit oder aus meiner Schulzeit. Und sie hat mich sehr geprägt. Sie hat mir sehr, sehr viel Werte auch mitgegeben. Wie so eine Oma kann man sich das vorstellen. Ja.
E.I. [01:09:23]
Wie war das für dich? War das für dich eine andere? Neu?
DR2.1 [01:09:27]
Ja, total anders. Neu – natürlich. Wenn du… Die Frau war Mitte 50, vielleicht sogar Anfang 60. Es war wirklich wie, als wäre sie meine eigene Oma. Ich war jeden Tag dort. Sie hat auch immer gesagt: Du bist ein gutes Kind. Lass dir das nicht gefallen von den anderen. Also lass dir nichts einreden. Ich sehe dich so, so, so. Und das war für mich dann so der Punkt. Okay, ist es mir… Ich habe mir selber als Kind die Frage gestellt: Ist mir das wichtig, wie Kinder mich sehen oder wie Erwachsene mich sehen? Natürlich können Erwachsene mehr von mir beurteilen, wie ich mich verhalte als ein Kind. Und deswegen habe ich mir da mit der Zeit viel weniger sagen lassen von Gleichaltrigen.
E.I. [01:10:15]
Und wie ist es jetzt so, wie du auch eben genannt hast, so dass du auch mehr deine Zeit mit älteren Menschen verbracht hast, durch die Arbeit bei deinem Vater und andere Sachen? In den Kontakten mit dieser Frau ist es jetzt wie. Wie ist es so mit deinen gleichaltrigen Menschen?
DR2.1 [01:10:39]
Ja, also jetzt ist es um einiges einfacher, weil ich mir eben Meinungen anderer nicht mehr so zu Herzen nehme. Ich glaube, man adaptiert sich halt mit der Zeit, auch mit allen Gleichaltrigen. Weil ich kann jetzt auch nicht immer die Älteren einen. Genau deswegen. Mittlerweile ist es so neutral. Egal wo ich hingehe, ich kann mich irgendwie anpassen. Das lernt man halt eben sehr früh.
E.I. [01:11:05] Fühlst du dich da verstanden von deinen? Mit gleich älteren Menschen
DR2.1 [01:11:11]
In manchen Dingen schon, in manchen Dingen weniger. Also jetzt zu Schulzeiten im Abi gemacht. Und natürlich verstehen die mich dann am meisten. Wir haben die gleichen Klausuren geschrieben, wir haben die gleichen Stressphasen durchgemacht. Aber wenn es um Familie geht, natürlich, bei denen ist das noch mal ein bisschen anders als bei mir. Und da verstehen sie die Dinge, wie ich handele zum Beispiel nicht, weil das bei denen halt nicht normal wäre, zum Beispiel. Genau.
E.I. [01:11:44]
Würdest du rückblickend etwas anderes machen?
DR2.1 [01:11:50]
Ich denke, wenn ich alles ändern könnte, dann würde ich von Anfang an sagen, dass ich ein Kind bin. Auf jeden Fall, weil ich mit der Zeit einfach gemerkt habe, dass es überhaupt keinen Sinn macht, sich zu verstecken und das nicht zu sagen, weil das führt das ganze Problem einfach nur weiter. Und das führt es so weit, dass irgendwann meine Kinder auch genauso sich verstecken werden. Und das ist ja eigentlich nicht das, was wir erreichen wollen. Wir wollen ja zeigen, dass wir nicht so sind, wie alle anderen von uns denken, dass wir viel integrierter sind und dass wir genauso leben wie alle anderen. Und das funktioniert halt eben nicht, wenn ich mich die ganze Zeit mit einer anderen Identität praktisch ausgebe. Genau das würde ich auch viel verändern, aber das denkt man sich so okay, das Leben ist ja noch nicht vorbei. Du kannst es jetzt machen, aber da hast du mal wieder Angst. Okay, wenn ich jetzt mich preisgebe als ein Kind, wie wird das an der Uni? Werden Professoren mich anders ansehen werden? Mitstudierende mich anders ansehen. Wird da wieder Hänseleien, Mobbing und so? Nein, mittlerweile ist das ja noch viel schlimmer als damals, wo man ein Kind war. Mittlerweile gibt es Internet, mittlerweile kann man noch viel schlimmere Dinge anrichten. Und ja. Genau deswegen hat man da auch Angst für die Zukunft. Das zu sagen, dass man ein Roma ist
E.I. [01:13:21]
Gibt es etwas, was du gerne noch aus deinem Leben erzählen möchtest oder was wir noch nicht hier thematisiert haben heute? Oder irgendwelche Fragen, die ich dir nicht gestellt habe. Du hättest aber diese Frage gerne beantwortet. Kannst du dir mit dem überlegen, was du da sagen möchtest? Oder Ich habe ja nicht jetzt diese Frage gestellt und möchte gerne, gerne beantworten oder ein Teil aus deinem Leben, den wir nicht jetzt hier besprochen haben.
DR2.1 [01:13:53]
Also. Ich denke, dass man jetzt nach diesem Interview mal so denken könnte: Ich fühle mich nicht wohl. Das ist halt wieder sehr schwer für jemanden zu erklären, dass man sich bei seinen eigenen Freunden nicht wohlfühlt. Es ist halt eigentlich nicht so, ich fühle mich wohl, weil ich eben so gelernt habe, wirklich genauso zu leben wie sie. So bin ich. Es kommt halt drauf an, wie man seine Lebenseinstellung ändert. Ich habe meine halt total nach denen gerichtet. Deswegen ändert sich mein Wohlfühlsein. Auch bei denen nicht, dann genauso, die mit denen auch wie mit meinen Eltern. Einziger Unterschied ist, dass ich nicht sage, woher ich komme. Wirklich. Und das ist dann so ein Punkt, wenn es dann um Traditionen bei denen geht, zum Beispiel. Keine Ahnung. Bei den Türken gibt es ja den Hena Abend. Das gibt es bei uns auch. Aber bei uns ist das ein bisschen anders als bei denen. Und dann fragen wir immer: Ja, wie denn? Und das ist dann immer wieder so ein Hin und Her. Und dann kannst du das natürlich nicht erklären. Wie soll ich so was erklären? Vor allem weiß man auch in Mazedonien, das sind Orthodoxe, bei denen gibt es nicht wirklich einen Hena Abend. Und dann hinterfragen das Leute, die sich auskennen. Genau deswegen, was das Thema Wohlfühlen angeht. Ich fühle mich auf jeden Fall wohl bei meinen Freunden, aber nicht in jeder Hinsicht, na?
E.I. [01:15:23]
Okay, [Name], ich danke dir sehr viel, dass du dir Zeit genommen hast, dass du dieses Interview mit mir durchgeführt hast. Also, ich habe keine Fragen mehr. Ich freue mich, dass ich dich interviewen durfte. Ich fand es sehr interessant, dich zu hören, was du alles aus deinem Leben erzählt hast. Obwohl du jung bist. Hast du aber sehr. gut erzählt
DR2.1 [01:15:56]
Ähm.
E.I. [01:15:57]
Ja. Ich bedanke mich.
DR2.1 [01:15:59]
Ich bedanke mich auch, dass ich hier mich erklären konnte und zeigen konnte, wie ein Leben als Roma Kind eigentlich wirklich aussieht.
E.I. [01:16:09]
Genau das ist ja der Sinn. Das wird ja wahrscheinlich anderen helfen. Das, was wir hier sprechen. Die, die sich das irgendwie anhören oder es… Hoffentlich wird es positive Auswirkungen geben. So, ich bedanke mich bei dir und ich wünsche dir alles Gute.
DR2.1 [01:16:33]
Und bis bald.