Name der interviewten Person Anonym
Geschlecht männlich
Alter 42
Religion/Glaubenszugehörigkeit Islam
Herkunftsland Deutschland
Herkunftsland der Eltern Serbien
Kürzel DR20.1
LG/TZ LG
Speaker 1 [00:00:19]
Ääh, erzähl mir von deinem Leben. Du kannst … mit der Kindheit vielleicht anfangen, wo du geboren bist, wie du aufgewachsen bist … und so weiter und so fort.
Speaker 2 [00:00:32]
Ja, okay. Also, ich bin in ähm, [Stadt 1 in Deutschland] geboren, Anfang der 80er Jahre und hab dort meine ganze Kindheit auch verbracht … und puh (lautes ausatmen) das war auch … sehr … ich hab da nur erfreuliche äh, Gedanken noch von früher, also Erinnerungen. Und dort bin ich auch weiterhin zur Grundschule gegangen, danach äh, zur Realschule und ahm, ich hatte ahm, guten Freundeskreis in der Zeit und hab eigentlich, ja, nur positive Erinnerungen an meine Kindheit. Viele Freunde, Spaß, spielen, so wie es sein sollte (lacht erfreulich) eigentlich.
Speaker 1 [00:01:08]
Mmhm, ach schön. Das ist schön. Und waren deine Eltern berufstätig?
Speaker 2 [00:01:13]
Ja. Also mein Va… Vater (hm, hm) war … sein Leben … also, er ist erstmal in [Stadt 1in Deutschland]… er ist ertmal, die sind eigentlich ertmal nach … [Stadt 1 in Deutschland]… die sind nach [Stadt 2 in Deutschland] gezogen. Dort hat er erst mal in einer Waschmaschinen Fabrik gearbeitet …
Speaker 1 [00:01:27]
Woher? Sorry, dass ich reingrätsche.
Speaker 2 [00:01:29]
Ach, die sind aus dem ehemaligen, damals Jugoslawien nach Deutschland gezogen und er war sechs Jahre, circa, in einer Waschmaschinen Fabrik. Und äh, meine Mutter als Reinigungskraft, aber, da sie noch kleine Kinder hat, meine … ich hab noch zwei ältere Geschwister, war sie auch viel zu Hause. Und dann, Ende der 70er war das, sind wir dann nach [Stadt 1 in Deutschland] gezogen, oder meine Eltern, und ja, dort hat er dann angefangen, als Busfahrer zu arbeiten. Meine Mutter war in einer Chemiefabrik und das eigentlich bis zur Rente dann, wo ich … ja
Speaker 1 [00:02:03]
Und ähm, wie war deine Schulzeit? Hattest du da Freunde … welchen Freundeskreis hattest du da? Wie, wi… wie sah das aus?
Speaker 2 [00:02:15]
Puuh, (lautes ausatmen) ja, wir waren echt multikulturell auf der Schule, muss ich schon sagen, das hat schon … viele Nationen schon, also … auch von der Grundschule. Also, viele Freunde von meiner Grundschule sind schon mit mir in die Realschule damals gegangen. (Speaker 2: mhm) Ich hatte eigentlich eine Empfehlung fürs Gymnasium, bin aber aufgrund meiner Freunde, weil zu viele in diese Schule gegangen sind – auch zur Realschule gegangen. Weil damals war das so, mei… dass meine Eltern so sich nicht mit diesem Thema erfasst haben. (Speaker 2: mhm) Schule. Und deswegen haben die mir da selbst die freie Wahl gelassen. Ich hab mich natürlich für meine Freunde entschieden und bin mit denen zur Schule gegangen.
Speaker 1 [00:02:52]
War es, aber, für deine Eltern wichtig, dass du zur Schule gehst und eine Ausbildung machst und so?
Speaker 2 [00:02:58]
Hundert prozentig, ja auf jeden Fall. (Speaker 1: mhm) Also das – das haben sie schon auch verfolgt. Aber, das ist nicht so wie jetzt in unserer Zeit, dass wir mit den Kindern teilweise lernen und so, es waren halt andere Zeiten.
Speaker 1 [00:03:12]
Mhm. Ähm, wenn ich das aus deinen Antworten hier so, analysiere, also, geht’s… äh, sind deine Eltern damals in der Gastarbeiter Generation hierhin gekommen, ne?
Speaker 2 [00:03:21]
Richtig, Anfang der 70er Jahre war das.
Speaker 1 [00:03:24]
Und … ähm, du sagst, du hast noch zwei ältere Geschwister? Ähm, wie war das … wie war euer Familienleben zu Hause so? Also wie, wie … welche Eri… Erinnerungen hast du da?
Speaker 2 [00:03:42]
Also … meine Schwester, wie gesagt, sind ja älter. Beide. Sie sind auch ganz normal erst mal zur Schule gegangen. Wir hatten eine kleine Dreizimmerwohnung, das war so in der Zeit äh … und Eltern wollten halt möglichst viel sparen, sage ich mal, wie es ist. Und eigentlich zurück in das ehemalige Jugoslawien. Was so letztendlich nicht wirklich passiert ist. Wir sind dann halt alle geblieben. Meine Eltern sind jetzt mittlerweile Rentner, verbringen auch viel mehr Zeit dort – jetzt mittlerweile in Serbien. Aber … ja, so ist das – wir waren halt in einer kleinen Wohnung Jahre lang zusammen, also bis zum Jugendalter. Ist dann irgendwann meine älteren Geschwister oder meine ä, ä, ä… älteste Schwester damals schon ausgezogen ist … ja … dann fing das …dann sind wir dann im späten Jugendalter irgendwann umgezogen, hatten dann auch eine größere Wohnung.
Speaker 1 [00:04:36]
Mhm. Und wenn du jetzt an deine Kindheit zurückdenkst, welche Werte hast du so im Kopf oder in Erinnerung? Oder ein Gefühl oder irgendwas, was, was, was du damit verbindest?
Speaker 2 [00:04:53]
Äääh, Werte? Von wem? Von Eltern?
Speaker 1 [00:04:55]
Von Eltern oder von jemanden anderen, der dich viel…, eventuell geprägt hat? Also gab‘s so Werte oder Personen, die deine Kindheit und dein, dein Jugendalter später in irgendeiner Art und Weise geprägt haben?
Speaker 2 [00:05:10]
Mmhm, also spezielle Personen – eher nicht. Am Allgemeinen ging es viel um Benehmen, Anstand, das heißt äh, immer darauf zu achten. Und ääh, nicht großartig aufzufallen, auch äh … das war wichtig eher.
Speaker 1 [00:05:27]
Und warum, wenn ich fragen dar… darf, warum nicht auffallen?
Speaker 2 [00:05:32]
Puuh (lautes ausatmen) … ja, es war ein … `n Teil … ja – du weißt, wir sind ja Roma, und ääh, das ist ä … mir wurde das nie gesagt, aber man hat das so verinnerlicht, ne? Keiner in der Schule wusste das. Niemand. Und so habe ich das auch damals von meinen Eltern gehört auf der Arbeit, dass man das erstmal nicht sagt und ähm, weil man halt große Nachteile dadurch hat.
Speaker 1 [00:05:59]
Mhm. Okay. Und hat die da… hat dich das in irgendeiner Art und Weise beschäftigt? Oder hast du dich mit, mit diesem Gedanken oder mit diesem Satz beschäftigt? Oder hast du das einfach so hingenommen und dann gelebt?
Speaker 2 [00:06:12]
Nee, das hat … nein. Das hat mich sehr beschäftigt – weil ich jetzt auch zu teilweise im mhmhm, im Freundeskreis äääh … damals … waren das jugoslawische Mitschüler, jetzt serbische oder auch andere aus dem Balkan Mitschüler hatte, die halt wussten, was Roma sind und äh, die halt dann auch wussten, dass ich Roma bin, aber aus Anstand mir das nicht so gesagt haben … ist aber dann teilweise, zum Beispiel wenn man Streitigkeiten hatte, dann erwähnt wurde und dann halt zu Streitereien kam … aber isss … es war schon ein Thema. Auf jeden Fall immer. Auch in der Schulzeit schon.
Speaker 1 [00:06:51]
Mhm. Und ääh, wie bist Du mit dem Thema umgegangen? Hat dich das irgendwie … bedrückt, oder … ja …?
Speaker 2 [00:06:59]
Ja, auf jeden Fall. Das ist ja nicht so frei wie andere Nationen, die einfach sagen, zum Beispiel: Ich komme auch aus, aus der Türkei – damals, selbstverständlich. „Ich komme aus Spanien“ oder wo auch immer – ist halt dann, man hat dann gesagt: Okay. (Speaker 1: mhm) Aber wenn man sagt äh, „Roma“, dann wird man gleich abgestempelt. Das ist einfach so!
Speaker 1 [00:07:20]
Gab es in deiner Schule auch andere Kinder, die … ääh … dem Roma Volk gehörten, oder wusstest du das nicht so?
Speaker 2 [00:07:30]
Mmmmh, also in der Grundschule nicht, in der Realschule vielleicht ein oder zwei, aber mit denen ich selbst keinen Kontakt hatte.
Speaker 1 [00:07:38]
Mhm. Heißt das, dass dein Freundeskreis dann eher aus ääh, sag ich … oder deine Freunde anderer Nationalitäten angehörten?
Speaker 2 [00:07:46]
Gemischt. Mhm. Wir sind alle, alle in Deutschland geboren. Ich bin ja danach – nach der Realschule noch auf der Höheren Handelsschule gewesen, da hab ich das Fachabitur gemacht – aber prrh, jetzt, da waren wir halt verschiedenste Nationen damals schon (Speaker1: mhm) … aber wir haben uns alle … größtenteils eigentlich gut verstanden.
Speaker 1 [00:08:06]
Mhm. Und möchtest du uns deine ää … Ausbildung verraten? Oder wel… welche Ausbildung hast du gemacht?
Speaker 2 [00:08:11]
Jaa, also – ich war in dem Jugendalter, sag ich ma‘ e‘n bisschen … viiiel … noch mit Freunden unterwegs. Aber dann irgendwann hab ich gesagt: Ja, okay, jetzt muss ich mich bisschen mehr bewerben. Mein Vater, wie gesagt, war in ein … war Busfahrer, der hatte mich dann so ein bisschen gedrängt und gedacht: Na ja, aus dem Jungen wird nix. Und dann hat er mich halt klassisch in seinem Betrieb erstmal gestopft – da hab ich realisiert: Okay, jetzt muss ich selbst suchen, sonst bleib ich hier noch als, irgendwie als … ich war dann ein Jahr als Straßenbahnfahrer aktiv (Speaker 1: mhm) und hab dann gesagt: Nee, das kann’s nicht sein (Speaker 1: mhm) – hab mich dann wirklich mehr beworben und aufgrund dieser Straßenbahn Ausbildung hab ich die Ausbildung bekommen – weil den hat das so imponiert, dass ich Straßenbahnfahrer WAR (Speaker 1: mhm) und dass ich so viel Verantwortung trage, dass er…sie sich letztendlich für mich entschieden haben. Und dann hab ich die Ausbildung angefangen zum Kaufmann im Großen Außen … Außenhandel. Ja – hab die dann auch nach drei Jahren abgeschlossen.
Speaker 1 [00:09:06]
Ah, schön. Und arbeitest du jetzt in dieser Branche, oder?
Speaker 2 [00:09:10]
Nein, ich war danach äääh, ein Jahr noch in dem Betrieb, ich (hört man isch) wurde übernommen … und puuh, nach dieser Übernahme hab ich den Job gewechselt – war sechs Jahre im Außendienst … äääh in einem bestimmten Feld, hab dann Industrieprodukte verkauft und … ja …. dann … ging‘s weiter.
Speaker 1 [00:09:31]
Und jetzt bist du selbstständig?
Speaker 2 [00:09:33]
Genau. Seit ääh, 2013 hab ich mich in der Art … äh, also dort selbstständig gemacht, wo ich in den Außendienst angefangen hab, weil ich die Erfahrung da schon hatte. Das hat aber dann … ph, ja …. nicht so gut … es hat eigentlich gut geklappt – aber da gabs ein paar Hindernisse, keine Erfahrungen, wie man damit umgeht, ne, die … ein paar Hürden, die ich nicht so gut genommen hab … hab aber dann mich für was anderes entschieden und das ist mittlerweile ganz gut. Also jetzt, läuft‘s ganz gut, ja.
Speaker 1 [00:10:06]
Super. Und ääähm … hast du auch eine Familie selber gegründet inzwischen?
Speaker 2 [00:10:13]
Ja. Ich bin seit ääh … 2008 verheiratet. Hab auch zwei Kinder. Ja, meine Kinder sind mittlerweile … ää … beide auf dem Gymnasium. Und … ja.
Speaker 1 [00:10:28]
Und ähm … gibt‘s ääh… Sachen, die du von deiner Erziehung, die du damals von deinen Eltern bekommen hast, die du jetzt überträgst in deine Familie bzw. mit, mit, deiner Frau zusammen, oder, äh … und aber auch gleichzeitig gibt‘s Sachen, die du nicht so übertragen möchtest, die du damals äh, gelebt hast mit, mit deinen Eltern? Also – Pro und Kontra quasi oder, oder was … was findest du gut und was ist …ja …?
Speaker 2 [00:10:56]
Ja, also das Pro ist: Die guten Werte; Anstand gegenüber Anderen. Und das, was ich nicht so vermittell‘ ist: Die Strenge – das heißt eine gewisse Freiheit überlassen und das Vertrauen gegenüber den Kindern, also – das überlasse ich den selbst, dass die auch viele Sachen frei entscheid…, also freier entscheiden können.
Speaker 1 [00:11:17]
Mhm. Das heißt, in … äh … deiner Kindheit und Jugend war das nicht so, wie du dir das gewünscht hast?
Speaker 2 [00:11:23]
Nein, es gab sch…, es gab auch schon Vorgaben, auf jeden Fall, die zwar nicht so krass vorgegeben worden sind, aber schon, wo man wusste, dass ist da, es existiert – wenn man das nicht macht, enttäuscht man einen schon, ne(Speaker 1: mhm). Das heißt: Vorgaben gab es schon. (Speaker 1: mhm, mhm)
Speaker 1 [00:11:40]
Und, ähm … (kurze Pause von paar Sekunden). Weißt du etwas über, ähm deine Eltern? Bzw. warum sie zum Beispiel, das damalige Jugoslawien verlassen haben? Wie war deren Lebenssituation, oder von, vielleicht sogar die Generation davor – deren Eltern? Also hast du da irgendwelche Kenntnisse?
Speaker 2 [00:12:12]
Mhm. Also ich weiß von Erzählungen von meinem Vater ziemlich viel – davor die Generation nicht mehr so viel – aber darüber kann ich schon was erzählen (Speaker 1 gleichzeitig: mhm). Und zwar … also es war schon immer so … sie sind eigentlich in relativ normalen Verhältnissen aufgewachsen, so war jetzt – nicht ärmlich. Also … mein Vater hat angefangen als Gas-Wasser Installateur in ganz jungen Jahren und dort gab es auch schon Gehalt. Und ääh, er hatte dann … gesagt … ist meiner Mutter in Belgrad dann gewesen … und … aber die haben sich halt beide dazu entschlossen, weil es halt die Möglichkeit der Gastarbeiter damals gab. Äh, der ältere Bruder von meinem Vater, der war schon in Deutschland und hat ihm das Angebot gemacht: Hey, du kannst auch hierherkommen und ahm, auch hier arbeiten, hier gibt es dann halt mehr Geld und dann kannst du für einige Jahre hier bleiben und dann könnten wir wieder zurück. Und das war eigentlich der Plan. Also, so, ne … und … äh …ja?
Speaker 1 [00:13:13]
Ahm, du hast gerade gesagt, dein Vater hat als Gas-Wasser Installateur angefangen – hatte er die … äh, heißt das, dass er die Ausbildung dafür dort in Belgrad gemacht hat?
Speaker 2 [00:13:22]
Ja, ja, er hat da angefangen. … (Speaker 1: mhm) ich glaub, ein Jahr, aber … nur … im ersten Jahr war er … hat mir auch gesagt, er wär sehr gut in diesem Beruf … uund … aber das hat er aufgrund der finanziellen Interessen halt aufgegeben halt, ne. Es war lukrativer für ihn, die Möglichkeiten in Deutschland wahrzunehmen. (Speaker 1: mhm, mhm)
Speaker 1 [00:13:42]
Und dann haben sie quasi eine Familie hier gegründet.
Speaker 2 [00:13:45]
Genau. Die sind beide zuerst, also er mit meiner Mutter erst ma‘ hier hin – nach [Stadt 2 in Deutschland], wie gesagt, zuerst … und ja … so haben die dann (Speaker 1: mhm) hier angefangen.
Speaker 1 [00:13:58]
Und ähm … mit welchen Sprachen bist du damals aufgewachsen? Also, was habt ihr zu Hause gesprochen?
Speaker 2 [00:14:06]
Ja, das ist interessant, weil viele … damals der Roma Familien, die haben hauptsächlich Ro…in der Roma Sprache auch gesprochen zu Hause. Aber bei uns war das nicht so, wir haben … in heutigen Serbisch viel miteinander gesprochen, aufgrund dessen, weil mein Vater geplant hat zurückzukehren. Und der wusste, wenn die Kinder kein Serbisch können, werden sie es sehr schwer in der Schule haben. Er hatte nämlich schon geplant, Mitte der 80er, Ende der 80er spätestens zurückzukehren, und das war sogar – jetzt erinnere ich mich noch gut daran – Ende der 80er Jahre der Fall. Dort war ich auch sehr traurig, war in der vierten Klasse und ich habe mitbekommen, dass mein Vater zurück möchte. Aber auf Grund des anstehendes Krieges – er hatte noch einen Bruder im ehemaligen Jugoslawien, damals noch – er hat ihn gewarnt: Komm lieber nicht, es bahnt sich irgendwas an und es ist nicht die Zeit zurückzukehren. Das hat mein Vater damals dann auch so gemacht und da sind wir dann geblieben. Wäre das nicht so gewesen, wären wir wahrscheinlich dort weiter zur Schule gegangen.
Speaker 1 [00:15:06]
Ja, und da kann ich mir vorstellen, dass es für dich nicht so einfach war, dieser Gedanke, ne?
Speaker 2 [00:15:10]
Nein. Gar nicht, weil ich war … ich war da fremd.
Speaker 1 [00:15:15]
Mhm. Du hattest deinen Freundeskreis hier und alles, ne? Und dann die Vorstellung, dahin zu gehen, war nicht so schön … das … kann ich mir schon vorstellen. Und ähm … kannst du uns paar Sachen vielleicht über deine Mutter erzählen? Also wie … woher sie kommt, wie sie aufgewachsen ist … wie …?
Speaker 2 [00:15:36]
Also, damals war das ja das ehemalige Jugoslawien. Heutzutage ist es Nordmazedonien. Dort hat er sie kennengelernt. Er war im Wehrdienst – mein Vater – in ihrem Teil, und äh … ja, dort haben sie sich kennengelernt. Und dann ist … letztendlich meine Mutter von ihrem Teil zu … nach Serbien gezogen für ihn und dort haben sie dann ja … geheiratet letztendlich auch und ja … dann ging’s weiter nach Deutschland von dort aus.
Speaker 1 [00:16:15]
Und äh … kannst du uns vielleicht sagen, äh, oder mir sagen, ähm … was, was … ähm …? Du hast gesagt, es gab so Sachen, die, von denen man schon wusste, man darf die Eltern und die Familie quasi nicht enttäuschen so, obwohl man das nicht so angesprochen hat – aber ääh … war das auch bei den Töchtern genauso? (man hört im Hintergrund dass ein Gegenstand fällt) Also war das ääh … also gabs Unterschiede ääh, in Bezug zu dir als, als Jungen, oder als Sohn und in Bezug zu deinen Geschwistern als, als Mädchen?
Speaker 2 [00:16:52]
Ja. Gabs schon. Also es ist halt so, es wurde schon in dem Alter darauf geachtet als Jugendliche, dass man – was halt in diesem Land normal ist – Freunde hat, zum Beispiel ein Freund, durften die von den Eltern aus nicht. Und man hat schon darauf geachtet, dass wenn es dann in dem Alter, wo man heiraten kann, bei uns circa ab – bei unseren Roma – circa ab 20 – dass es da auch `ner wirklich, ein unserer Leute ist – also ein Roma. Und darauf wurde schon stark geachtet.
Speaker 1 [00:17:29]
Mhm. Das heißt, die Aufbewahrung der Tradition war schon wichtig, ne?
Speaker 2 [00:17:31]
Ja, Tradition, auf jeden Fall.
Speaker 1 [00:17:34]
Ja, ja, ja. Und wie fandest du das damals? Warst du verwirrt? Warst du … äh …?
Speaker 2 [00:17:42]
Ich bin damit schon aufgewachsen, aber das war mir alles fremd. Ich hatte kein großes Interesse daran, weil … ich in Deutschland geboren bin und meinen Freundeskreis wie gesagt hier hatte und auch relativ gut klargekommen bin. Ich wurde – also jetzt – wenn es nicht um die Frage Roma geht, gut akzeptiert. Überall eigentlich. Fast überall. Es gab einige Hürden, wie auch jeder andere hatte … von Nationen, ob ääh, Marokko, Türkei oder was auch immer, das spielt keine Rolle. Aber, pffh, die hab ich eigentlich sehr gut, ja, ich sag ma‘ gemeistert, so, ne. Es gab immer die Hürden – „Sprechen Sie Deutsch?“. Die Klassiker halt.
Speaker 1 [00:18:27]
Und. … ahm …. Ja … kannst du mir vielleicht sagen, da, wo ihr gelebt hat, habt in deiner Kindheit und Jugend – gab es da auch andere Roma Familien und hattet ihr … Kontakt oder auch wenn es keine Roma waren? Wie war die Beziehung zu den Nachbarn, zu der Nachbarschaft?
Speaker 2 [00:18:55]
Also es ist so, also ich hatte damals… hm, hm, der hat auch in unserer Stadt gelebt, ääh, ein Onkel, mit denen hatten wir ständig Kontakt, auch natürlich Roma. Und da hatte ich, also ä, ich sag ma‘, das sind ja meine Cousins und Cousinen, öfter Wochenende Kontakt, aber die haben ein bisschen weiter von uns weg gewohnt. Das heißt, wir hatten uns mal am Wochenende ab und zu mal gesehen. Aber es war dann so – in der Grundschulzeit, das war dann die Zeit, genau die Zeit, wo mein Vater anfing zu planen, zurück zu kehren – durch diesen anstehenden Krieg oder auch, besser gesagt dann auch wirklich Krieg – kam es dann dazu, dass viele Asylanten aus äh, aus Jug… dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kamen und genau drei Häuser weiter ein ganzes Haus von Roma nicht besetzt worden ist, sondern vergeben worden ist an die und – das war dann interessant zu sehen, wie die Unterschiede dann für uns sind. Weil – das war dann schon noch unangenehmer.
Speaker 1 [00:19:58]
Warum?
Speaker 2 [00:19:59]
Weil. Weil … man … als die identifiziert worden ist (Speaker 1: mmhm)… sie waren schon …bisschen, sag ich mal einfacher gekleidet, was … auch natürlich, selbstverständlich ist. Aber ich als Kind hab das so nicht gesehen. Und dann, wenn meine Freunde kamen und das auch sahen, dass diese Leute … halt ääh, Roma sind und die das wussten und ich bin auch Roma, kam es schon zu unangenehme Situationen. Zum Beispiel auf dem Fußballplatz. Die haben dort gespielt, wir wollten dort auch spielen. Und die wussten halt, dass ich auch Roma bin und ich konnte das aber nicht so wirklich sagen, weil, ich bin halt mit meinen Freunden da aufgewachsen, es war mir schon da unangenehm. (Speaker 1: mhm)
Speaker 1 [00:20:40]
Und gab es aber … ääh, Roma in der Nachbarschaft, also außer jetzt diese Asylantenfamilien, die in diesem Haus gewohnt haben?
Speaker 2 [00:20:48]
Nein. Vorher gab es welche, es gab schon welche, aber die sind nicht aufgefallen. Die waren halt wirklich so – wie wir. Es gab in, ich glaub im zweiten Haus ein Jungen, mit dem hatten wir auch ab und zu mal Kontakt. Aber er war (klatscht mit den Händen) ganz normal integriert, also ganz normal Schule, danach auch `ne Ausbildung gehabt. Also pffh, kaum bemerkt. (Speaker 1: mhm) Er konnte auch perfektes Deutsch dann und wir hatten untereinander Deutsch gesprochen.
Speaker 1 [00:21:13]
Mhhm.
Speaker 1 [00:21:22]
Ääh, welche Rolle spielt äh, für dich die Roma Community, oder dein Roma sein?
Speaker 2 [00:21:29]
Ja, mittlerweile hat sich das für mich klar geändert. Ich hatte damals, sag ich mal diese … pffh … Hemmungen, auch das so zu sagen oder zu äußern. Ich sag` jetzt auch keinen direkt ins Gesicht: Ich bin Roma und ich bin stolz drauf. Es ist … mittlerweile ist, ist, es ist mir einfach … das interessiert mich nicht, was jemand von mir hält. Es ist einfach so, das hat sich so bisschen gewandelt und … aus dem … pffh … Alter bin ich einfach raus.
Speaker 1 [00:21:56]
Und was bedeutet für dich Herkunft oder Heimat? Was ist für dich Heimat? Eher Deutschland, eher Serbien, oder …?
Speaker 2 [00:22:03]
Ja, das ist allgemein schwieriges Thema … beide Länder gehören nicht wirklich … … sin… ist kei… nicht wirklich Heimat. Serbien kann ich sagen, dass ich dort auch Werte vermittelt bekommen habe, weil, ich habe die Erziehung von, von dort auch bekommen. Ich fühle mich auch in Serbien auch mittlerweile muss ich sagen wohl … hhmm … sss, sehr nette Leute. Ääh, ich fühl` mich auch in Deutschland wohl. Mittlerweile hat sich auch viel gewandelt, aber das ist ein anderes Thema. Aber, … pfffh … Heimat nicht wirklich – also, sehr, sehr schwierig, ne. Man kann halt nicht sagen, ich bin aus der Türkei und … scht … die Heimat ist halt Türkei. Man hat halt … pffh … nicht wirklich eine echte Heimat.
Speaker 1 [00:22:51]
Sagst du un…, warum kann Serbien nicht sein – weil du dort nicht aufgewachsen bist, oder nicht geboren bist, oder?
Speaker 2 [00:22:56]
Genau. Also, mittlerweile fühle ich mich da auch wohl, weil ich hab auch viel geschäftlich da zu tun, ne. (Speaker 1 gleichzeitig: mhm) Ich bin öfter in Serbien, aber man muss auch sagen, dass … sich da auch viel gewandelt hat, auch gegenüber
Roma. Also wie ich das auch von der Kindheit mitbekommen hab, es, ss, ist wesentlich freier, wesentlich äh … ja … allgemein diese ganze Situation bezogen auf Roma ist – entspannter – muss ich sagen. Merkt man einfach.
Speaker 1 [00:23:28]
Mhm. Okay … Kannst du vielleicht uns was … ääh, über deine Frau sagen? Oder wie habt ihr euch kennengelernt und äh, arbeitet sie? Also, wie, wie funktioniert euer Familienleben heutzutage?
Speaker 2 [00:23:46]
Ja. Also, das war … (lautes ausatmen) ich war circa Mitte 20 und, ja wir hatten uns damals … das war … da gabt es … da hat so … das waren nicht die Anfänge vom Internet, aber so die, die Internets …. da hab ich durch eine Empfehlung über jemand anderes, bin ich eigentlich zufällig an sie geraten, und ja, dann hat man sich so angefangen zu schreiben. Ja. Irgendwann war ich dann zum Ersten Mal dort und … ja! … dann wieder. Und äh, ja, so ging es dann weiter und dann hat man sich eigentlich relativ schnell geeinigt. Es ging dann halt ganz schnell, dann is…. meine Frau aus dem ehema…, also jetzigen Nordmazedonien dann nach äh, Deutschland gezogen – was auch eine nicht so einfache Prozedur war. Ich musste halt die ganzen Arbeitsnachweise nachweisen. Da gabs schon einige Hindernisse, weil (klatscht mit den Händen auf die Knie) … die Ämter halt äh, viele Verdachtsfälle hatten das, dass es Betrug ist, oder … was halt nicht der Fall war. Es war halt alles ää … und hat halt alles der Wahrheit entsprochen. Aber dadurch, dass halt viele solche Ereignisse stattgefunden haben, hatten wir es halt ein bisschen schwieriger. Aber was letztendlich alles geklappt hat, ja, und dann … haben wir dann halt auch hier geheiratet, haben mittlerweile jetzt zwei Kinder.
Speaker 1 [00:25:10]
Wie war das für sie damals mit der deutschen Sprache?
Speaker 2 [00:25:14]
Ja, sie hatte damals … schon …. Germanistik ein Jahr dort studiert und war schon bisschen vertraut mit der deutschen Sprache. Also relativ gut für, für den Ort dort. Und hat sich eigentlich recht leicht zurecht gefunden hier dann. `n Sprachkurse und so was – direkt alle bestanden … also ziemlich schnell bestanden alle.
Speaker 1 [00:25:39]
Ist deine Frau auch eine Romni, oder?
Speaker 2 [00:25:42]
Ja.
Speaker 1 [00:25:47]
Ja. Und würdest du jetzt aus dieser Perspektive heute sagen – das war auch wichtig für dich, dass du eine Romni heiratest, oder … es hat sich einfach so ergeben?
Speaker 2 [00:25:57]
Eigentlich erst mal nicht. Eigentlich. Anfang meiner 20er, sag ich, war mir das relativ egal. Aber – es ist schon so gewesen, dass die Eltern das wollten. Es gabs ja auch damals die Empfehlungen, wen man heiraten konnte. Oder es gab so: Jaa, sag ma‘ – da ist ein Mädchen, da kann man hingehen und mal schauen, ne – das war so! Aber … pffh, ich hatte halt nicht so in dem Alter so das große Interesse, weil ich hatte einen großen Freundeskreis. Ja, ist, ist halt, man war halt jung, man hat viel gefeiert und so etwas, da hatte ich so mehr Interesse in diesem Alter. Aber irgendwann hatte ich auch immer mehr Druck bekommen, weil ich schon in einem fortgeschrittenen Alter für ein Roma war. Jaa, und dann hat ich mir selbst … es war eigentlich auch mehr so … ja, aus, aus dem genervt sein – hab ich dann halt selbst gesucht.
Speaker 1 [00:26:54]
Aber das war schon wichtig, dass du selber quasi deine Frau kennengelernt hast und nicht durch Empfehlungen durch Verwandte, Freunde und so? (lachen beide)
Speaker 2 [00:27:03]
Ja, das … dann kann man halt nicht sagen, jemand hat, hat‘s äh … so zu sagen äh … verursacht oder was, ne? Man hat, war halt für sich selbst verantwort… oder ist selbst verantwortlich, das stimmt schon, ne … so ist das.
Speaker 1 [00:27:29]
Äh, du hast gesagt, dass du Fachabitur … dann, dich irgendwann doch entschieden hast, Fachabitur zu machen. Äähm, aus welcher Überzeugung oder … äh, wie hast du diese … wie hast du dich dazu entschieden? Und ähm, sag uns einfach ein bisschen mehr darüber.
Speaker 2 [00:27:50]
Mhm. Okay. Also es war eigentlich so – ich bin zu der Schule gegangen, weil ich eigentlich, ehrlich gesagt, keine Ausbildung gefunden hab, in diesem Jahr. Und ääh, Freunde von mir sind einfach auf diese Schule gegangen und hab gesagt: Gut, schadet nicht, höheres ääh, ja, besserer Schulabschluss, ne. (Speaker 1: mhm) Hab das dann, sozusagen, einfach mitgemacht. Ich sag auch ganz ehrlich – nicht weil – Schule war nicht so wirklich meine Stärke, aber – nicht weil ich äh, dumm war, sondern einfach, weil es nicht so großes Interesse hatte an Schule. Äh, weil ich wusste, dass wo … das Lehrmaterial hat halt nicht wirklich das vermittelt, was ich wichtig sah fürs Leben. Und aus dem Grund habe ich das nicht so wirklich ernst genommen, hab aber die Abschlüsse dann auch wirklich alle gemacht und auch alle bestanden. Ja und ääh … letztendlich hats doch was gebracht und ich hab ja auch dann meine Ausbildungen bekommen.
Speaker 1 [00:28:49]
Und wie war es in der Ausbildung? Ähm, wie haben dich die Leute da wahrgenommen, oder wie hast du dich da wahrgenommen gefühlt? Von, von den Lehrern, von den anderen Mitschülern, von … also, wie war diese Zeit für dich?
Speaker 2 [00:29:05]
Also eigentlich ziemlich gut. Also was den Betrieb jetzt angeht, ne, dass Betrieb und Schule, sag ich mal, Ausbildung im Betrieb, ist es ja so gewesen, dass ich jetzt, jetzt – Roma habe ich mich ja nie vorgestellt, sondern ein klassischer, sag ma` Ausländer in dem Betrieb. Ich kam aber ziemlich gut klar, weil, ich kann ja halt gutes Deutsch, denk ich mal und … äh, da hatte ich halt keine Hindernisse. Es gab da immer was … wir waren, ich, ich weiß nicht … 99 % Deutsch. Ich war halt einer der ganz wenigen ausländischen Mitarbeit…, Aus, Auszubildender damals dort. Und äh, da bin ich eigentlich ziemlich gut zurechtgekommen. Schule – da hatte ich eigentlich ziemlich leicht Freundschaften knüpfen können. Da hatte ich nie Schwierigkeiten.
Speaker 1 [00:29:57]
Und äh, dann bist du auch in diesem Betrieb auch nachher geblieben, ne?
Speaker 2 [00:30:01]
Genau. Ich wurde dann auch übernommen. Mh, (lacht leicht) ob…, das, es war auch lustig – warum – weil ähm, ich war immer regelmäßig dort, aber man hat auch gesehen – ich war halt in dem, in der Zeit, sag ich ma` mehr auf Ausgehen fixiert und diese Geschichten und das m…merkt man halt auch in einem Betrieb. Und … aber es kam letztendlich in den letzten Monaten – da kamen meine Stärken zur Geltung, weil es ging um den Verkauf von Restposten. Und mir wurde auch als Auszubildender Provision angeboten. Und da habe ich gesehen: Okay, bisschen Geld brauch ich. Ich hab gesehen – okay, was für Artikeln kann man verkaufen? Hab in die Kundenkarteien reingeguckt: Wer hat diese Artikel gekauft? Ja, hab die alle abgeklappert, angerufen und war letztendlich die Nummer eins im Verkauf und wurde vom Chef berufen – wie ich das gemacht hab – hab die ganzen Provisionslisten abgegeben, hab viel mehr Geld verdient wie mein auszubildenden Gehalt und ja, so wurde ich dann übernommen. (Speaker 1: ja, super, mh), weil man halt, diese Leistung gesehen hat.
Speaker 1 [00:31:04]
Und ääh … aber irgendwas hat dich doch nicht so ganz zufriedengestellt da im, im Job, dass du dann irgendwann die Gedanken hattest, ich sollte mich selbstständig machen, oder?
Speaker 2 [00:31:17]
Fffh, ja, danach ist es ja so gewesen … ich, ich, ich war ja noch Angestellter im Außendienst. Aber dadurch, dass man im Außendienst schon gute … Kontakte hat oder ein gutes Gefühl, besser gesagt zur Selbstständigkeit, weil im Außendienst, ist man ja für sein Gehalt auch verantwortlich. Man kriegt ja ein Grundgehalt und verdient ja eigentlich das Gehalt durch die Provision. (Speaker 1: mhm) Das heißt, man kümmert sich ss, sehr stark um sich selbst und da lernt man schon diese Schritte. Und der Verkauf ist halt nie hinderlich, um selbstständig zu sein. Und das hab ich da schon ziemlich gut gelernt … und äh, und so bin ich dann auch da reingeraten. Ich war … sag ma da …. es ging da auch um, um Nähen … ich hatte nie, Kontakt, `n Be, Bezug mit Näharbeiten. Also, ich hatte da gar keine Ahnung von. Nicht von meinen Eltern, von gar keinem. Aber eines Tages habe, hatte ich im Betrieb mitbekommen, dass da halt Bedarf … ääh, besteht, weil die Produktion nicht nachkommt und hab gesagt einfach – weil ich halt immer das Interesse hatte, mehr Geld zu verdienen – dass ich … das meine Mutter nähen könnte, dass wir vielleicht aushelfen können. Ja, und der Chef sagte zu … auf einmal hat er telefoniert und sagte: Ja, gib ihm einfach ma` 10 Muster mit. Ich hab jetzt gesagt – was soll … hab mir dann gedacht … ich hatte die jetzt in der Hand und habe gedacht – was soll ich damit machen? Hmm … hab mir das angeguckt, hatte das Muster und bin dann einfach zum Schneider gegangen. Der wusste natürlich, wie es geht, hat mir die Dinger zusammengeschustert und die Teile habe ich dann abgegeben und der Chef sagte natürlich: Perfekt! (Speaker 1: Aha). Und so ging das langsam immer weiter … hab, hab mir dann die ersten Maschinen nach Hause ä … z …. nach Hause bestellt. Die hatte ich dann auch zu Hause und wir hatten keine Ahnung, wie wir die bedienen sollen. Und ja, bis wir dann irgendwann letztendlich Ahnung hatten, wie wir, wie wir die überhaupt ins Laufen kriegen … und so weiter … habe ich halt mit diesen Schneidereien weitergearbeitet, die Sachen verteilt, abgeholt, äh, abgegeben, immer rechtzeitig, immer mehr bekommen. Danach gings so weiter, dass meine Frau dann letztendlich sch… ziemlich sehr gut nähen konnte, ich mir das selbst auch beigebracht hatte und wir selbstständig diese Arbeit zu Hause weitergeführt haben. Das heißt, neben meinem Gehalt konnten wir diese Näharbeiten ausführen, haben uns nebenbei noch Geld äh, verdient, was immer mehr wurde, gar nicht mal so schlecht. Ja, und dort kam dann die Idee auf, weil ich halt im Außendienst auch viel verkaufte und wusste, welche Produkte gehen. Und so bin ich in die Selbstständigkeit geraten durch einen anderen Kollegen, der sich dann auch selbstständig gemacht hat in diesem Betrieb, dem ich dann auch diese Produkte genäht habe und verkauft habe. Und so ist es dann halt entstanden. Die erste Tätigkeit in diesem Business. Und dadurch ääh …ja … es ging halt um technische Textilien und da hab ich halt sehr gute Fachkenntnisse bekommen und konnte das ausarbeiten, sag ich ma`… in verschiedensten Nischen … davon profitieren.
Speaker 1 [00:34:06]
Und gab es irgendwelche Hindernisse ääh, in diesem Prozess, also … oder in der Entwicklung der eigenen Firma sozusagen? Äähm, oder Verzweiflung – meinte – wo du viell… vielleicht dachtest: Hmm, ist das jetzt das Richtige, oder?
Speaker 2 [00:34:21]
Mmm …jaa … nee. Es gab zum Beispiel, also im Außendienst, weil ich ja sehr eng … es war nicht so … es war … der Betrieb war nicht soo groß und wir waren ständig halt auch … ja … auf engem Raum auch zusammen. Es war schon immer die Frage ne: Woher ist der wirklich, ne? Da gabs schon … so Vermutungen, ne. Und ääh … d… da kam eine ganz blöde Frage, ob ich Igel essen würde. (Speaker 1 gleichzeitig: Wow) Und ich habe gedacht: wie kommen die jetzt da drauf? Warum sollte ich Igel essen? Ich so: Nein – was für ein Igel? Weil ich dann mitbekommen habe, letztendlich dass – ich weiß nicht, ob alle … ich wusste, ich hatte keine Ahnung davon – dass irgendeine Gruppe von Sintis, Igel isst. Und dann haben die … das, was … war die Anspielung darauf. Und hab ich, hab ich – das hab ich aber erst später verstanden, warum diese Frage gekommen ist. Ja.
Speaker 1 [00:35:12]
Die haben wahrscheinlich vermutet, dass du auch einer bist …
Speaker 2 [00:35:13]
Vermutet, aber nie offen gesagt, genau, einer …ein …ob ich dann Igel essen würde. (lacht leicht ironisch: hm, hm)
Speaker 1 [00:35:19]
Aber dabei blieb’s, ne, bei dieser Frage, oder?
Speaker 2 [00:35:22]
Ja, dabeiblieb‘s also … ich hab mich da auch nie so reingesteigert in den Themen, ne. Es ging auch allgemein um die Frage um Ausländer sein oder nicht? Dann waren die wirklich so offen, dass, … dann man auch wirklich gesehen hat, wer gegen wen ist … aber da, da hab ich mich nie für interessiert.
Speaker 1 [00:35:41]
Mhm. Und äh … wie ist es mit deinen Kindern? Also hast du äh, vielleicht deinen Kindern gesagt, als sie eingeschult sein sollten: Hey, erzählt nicht, dass ihr Roma seid … also, wie bist du da mit der Roma Identität umgegangen? Also bezüglich Erziehung deiner Kinder?
Speaker 2 [00:36:02]
Mhm. Nein, ich hab denen das jetzt nicht wirklich soo gesagt, aber die spüren das schon selbst. Also keiner sagt offen jetzt: Ich bin Roma und äh, super! Sondern die sagen halt – die Her…, Her…, Herkunft ist Serbien … und äh, das ist auch besser so. Weil Kinder können das nicht verstehen und die meinen ’s zwar nicht böse, aber Kinder können auch grausam sein. Und warum sollen sie sich das antun? Sie haben halt … müssen die auch nicht.
Speaker 1 [00:36:30]
Mhm. Und hatten deine Kinder irgendwelche Erfahrungen in der Schule diesbezüglich, oder schlechte Erfahrungen, oder gute – egal? Haben Sie irgendwelche unangenehme Situationen diesbezüglich erlebt schon, oder …?
Speaker 2 [00:36:44]
Also, mein Kind… wird nicht … ich hab kein – Nichts davon jetzt bisher gehört. Nicht, dass ich wüsste. Also … also in deren Schulzeit, so, haben die mir keine Erzählungen darüber gemacht jetzt.
Speaker 1 [00:36:59]
Und haben die … Freunde, die auch dem Roma Volk gehören, oder auch so gemischte eher?
Speaker 2 [00:37:07]
Also in der Schule haben die keine Roma Freunde (Speaker 1 gleichzeitig: keine). Nein.
Speaker 1 [00:37:14]
Heißt das, dass du heutzutage … also, inwieweit ist dein Kontakt zu deiner Roma Community ääh, ausgeprägt? (Speaker 2: Mhm) Also ääh, … (Speaker 2: also) wie lebst du dein Roma Identität aus?
Speaker 2 [00:37:28]
Ja. Also mein Kontakt ist eigentlich hauptsächlich Familie. (Speaker 1: Mhm) Das heißt … ich, ich hör mich noch, oder wir treffen uns noch unter der Familie. Aber jetzt äh, wirklich Freunde oder andere Kontakte habe ich nicht. Von Roma.
Speaker 1 [00:37:43]
Von Ro… und von anderen?
Speaker 2 [00:37:46]
Mmh …wie meinst du von anderen?
Speaker 1 [00:37:49]
Von anderen Na…, Nationalitäten, (Speaker 2: jaa) also Freundeskreis, die anderen Nationalitäten gehören?
Speaker 2 [00:37:54]
Ja, hab ich. Ja, klar. Also, da habe ich verschiedenste Nationen, auch als Freunde. Aber … wie gesagt, Roma nicht. Das ist wirklich hauptsächlich familiär, familiärer Kontakt, den ich dahabe.
Speaker 1 [00:38:09]
Mhm. Und haben deine Kinder äh, Romanes äh, gelernt … oder sprechen sie die Sprache?
Speaker 2 [00:38:16]
Mmhm …. ja meine Tochter – ja – schlecht, aber kann die. Mein Sohn versteht schon einiges, aber sprechen – schlecht, sehr schlecht … ja. Sch…, weil … ss…, sprechen hauptsächlich Deutsch untereinander – und auch zu Hause.
Speaker 1 [00:38:34]
Mhm … und deine Frau und du mit Kindern auch Deutsch, oder?
Speaker 2 [00:38:39]
Ja, ich hauptsächlich mit meinen Kindern – Deutsch. Meine Frau ab und zu auch mmm … Roma, Romane. Aber sehr wenig. (Speaker 1: Mhm)
Speaker 1 [00:38:54]
Und hast du das Gefühl, dass ähm, dieses Roma sein, oder die Tradition aufbewahren, mit den … mit schon … mit Generation deiner Kinder, aber vielleicht auch mit der nächsten Generation irgendwie nachlassen würde – oder schon das passiert? Also …
Speaker 2 [00:39:09]
Die Tradition? (Speaker 1: Mhm) Ja. Definitiv. Das wird nachlassen. Also es gib… es is… ein sehr schwieriges Thema der Roma. Ääh … es gibt (Speaker 1: Warum?) natürlich verschiedene ääh … wie soll ich das jetzt erklären … also jetzt wenn man von Sinti Roma ausgeht oder unseren Roma oder … da gibts ja verschiedene Gruppierungen, auch von Roma – in diesen Roma Gruppen … es ist ein schwi…, wie gesagt, kompliziertes Thema, aber in unseren – dadurch, dass wir auch ein bisschen freier sind, sag ich ma`, gehen diese Traditionen immer mehr weg. Wir sind da nicht so streng. Das heißt, die..ss, das geht schon verloren – also bezogen auf die Kinder, also bei uns. Es gibt welche, die halten die, das weiß ich von ääh, Familienkreisen und auch von anderen Familienangehörigen …. aber bei uns gehen die verloren … also … und mir ist das auch nicht wichtig, deshalb vermittle ich die auch nicht – so stark.
Speaker 1 [00:40:04]
Mhm. Ja, das, das wollte ich wissen: Wie wichtig das für dich ist. Aber dann wahrscheinlich, äh … oder – wie, wie sieht das deine Frau?
Speaker 2 [00:40:15]
Pffhh (atmet laut aus) … ahnlich, aber vielleicht schon bisschen mehr …, dass das wichtig ist, so dass man bestimmte Traditionen einhalten sollte.
Speaker 1 [00:40:23]
Mehr bisschen, (Speaker 2: Mhm) bisschen mehr verbunden daran.
Speaker 2 [00:40:26]
Genau. Weil … es ist auch so hmhmh …. da habe ich vielleicht … ich sehe das mit dem Roma sein so ein bisschen s-c-h-w-i-e-r-i-g, äh – aber ich denke, wir sind, nach, sag ma`, dem schwarzen Menschen, schwarzhäutigen Menschen, die dis…, diskriminiertesten Menschen auf der Welt – ganz klar. Also meine Meinung: Wenn man Roma sagt, ist man gleich unten durch und warum sollte ich mich noch damit identifizieren irgendwo, oder … pffhh? Es spielt für mich eigentlich keine Rolle, was für eine Nation man einfach … sch…, d…, sch…, ich identifiziere mich mit gar nix. Also. Mir ist es egal, woher jemand kommt oder was er ist. Wenn er ein guter Mensch – ist er ein guter Mensch und das ist das Wichtigste.
Speaker 1 [00:41:12]
Heißt es, das sind äähm … also bist du mit, mit diesen Werten auch so aufgewachsen, äh, teilweise, aber … ja. Oder hast du das jetzt selber für dich so entschieden?
Speaker 2 [00:41:29]
Ich bin schon mit Werten auch aufgewachsen und ääh, diese wurden auch vermittelt. Aber … pffhh … es ist schon, jetzt sag ich ma‘, nicht so streng gewesen, so dass wir da auch bisschen eine gewisse Freiheit schon hatten. Und ich hatte selbst auch nicht das Interesse daran. Ich glaub, weil mein Freundeskreis einfach auch nicht aus Roma Leuten bestanden hat. Ich glaub hauptsächlich, dass mein Umfeld war halt ein anderes. Aber ich hatte schon Kontakt mit Familien auch, von klein auf: Cousins Cousinen, mein Onkeel lebt auch in, auch in meiner Stadt. Ich hatte auch Onkel aus, aus anderen Städten in Deutschland, also Tanten auch, also Familie, wie gesagt auch in Deutschland – aber das war nicht der alltägliche Kontakt, mit den ich ständig umgeben war und deswegen hatte ich da auch nicht so das Interesse. (wenige Sekunden pause)
Speaker 1 [00:42:32]
Also ähm, kannst du vielleicht so … hhh (atmet laut aus) irgendeinen Gedanken ähm, wie soll ich sagen … explizit uns sagen: Was deinen Lebensweg am meisten geprägt hat?
Speaker 2 [00:42:50]
Ein Lebensweg? (Speaker 1: Mhm) … … … mmm, pffhh, also ja, gut, das ist so die letzten Jahre passiert. Aber ich glaub, das hat … ich weiß nicht, ob das jetzt so … das sss, ist einfach pffhh… ich hab jetzt so e‘n Wandel da wahrgenommen – Veränderungen, das Wachstum – so sehe ich das. Und äh, keine Veränderungen – Stillstand. Und danach lebe ich so ein bisschen, und äh, da sehe ich jetzt nix Negatives, wenn man da Veränderungsprozesse stattgefunden äh, haben. Das ist … jetzt alles für mich positiv … also … und danach lebe ich auch.
Speaker 1 [00:43:39]
Mhm. Ähm, du hast es schon teilweise jetzt beantwortet, aber meine nächste Frage wäre: Würdest du rückblickend etwas anders machen?
Speaker 2 [00:43:48]
Ja. Ja anders, äh, vielleicht schneller, weil … Zei…, man kann vieles haben … sch… es geht nicht alles um Geld oder was auch immer, sondern die Zeit. Es geht nur um Zeit. Ich würde einiges eher so machen. Jetzt aber … ja, ich sag ma‘ das … dann auch vielleicht … alles hat seine Gründe, denke ich ma‘, warum man das jetzt erst so sieht oder erkennt und nicht vor zehn Jahren zum Beispiel, ne. Das heißt, äh, das hat alles auch mit diesem Wachstum zu tun, das heißt … das sind ja Prozesse, die stattgefunden haben. Und ich glaub – das ist aus dem Grund halt so, wie es ist – zu dieser Zeit, halt so, ne. Aber man kann halt ääh, es hat halt viel mit Beruf zu tun, ne, mit der Selbstständigkeit, halt, Erfahrungen und äh, was aber auch nichts Negatives ist. Also es ist so, dass man aus Fehlern halt einfach lernen sollte, was halt schwierig zu erkennen ist – erst mal, ne. Man denkt so … fühlt sich erst mal schlecht dadurch, aber, puuh (atmet laut aus) ja, letztendlich ist es gar nicht so – es hat alles nur zu deiner, zu deinem stärkeren „Ich“ gebracht äh. Aber … das alles ist auch äh, aufgrund dessen, des … jaa, es hat auch viel mit Roma sein zu tun so … durch Ängste, die man mehr hatte. Und das sind so – schon stärkere Hindernisse wie bei anderen – definitiv also – die man bewältigen musste, so von der Kopfsache her.
Speaker 1 [00:45:18]
Mhm. Und ääh, ich hab dich jetzt nicht so ganz verstanden, was du mit der Zeit gemeint hast. Kannst du das bis…, bisschen näher erklären?
Speaker 2 [00:45:26]
Ja, ja …mmh … einige Sachen einfach früher angehen, so, dass so … einfach also Blockaden, die man selber hatte … die man nicht so umgesetzt hat, die man aber umsetzen könnte – eigentlich. Das ist das, was man, was ich meine mit der Zeit.
Speaker 1 [00:45:52]
Mhm. …. Und gibt es etwas, was ich dich nicht gefragt habe, äh, aber dir wichtig wäre, in diesem Kontext zu erzählen? Irgendetwas aus deinem Leben oder deinen Erfahrungen in deinem Leben oder was auch immer.
Speaker 2 [00:46:13]
Mhmm … (atmet laut aus) was du nicht gefragt hast … also … was auf jeden Fall wichtig allgemein für mich ist, ist, dass Veränderung immer möglich ist und äh – das ist definitiv so – das ist e‘n wichtiger Punkt. Auch wenn man schlechte Erfahrungen hat, muss das nicht so s…, bleiben oder so sein, sondern dass alles schn…, schnell und … äh, ja, verändert werden kann einfach – das ist Alles möglich.
Speaker 1 [00:46:47]
Ja, schön. Das ist ein schöner Schlusswort. Ja, dann bedanke ich mich ganz herzlich bei dir, für deine Zeit und … äh, beenden dann damit das Interview.
Speaker 2 [00:47:00]
Ja, ich danke dir. Danke. Ääh, ja, ich erinner‘ mich doch jetzt an etwas. Entschuldigung. Mir fällt da was ein, und zwar allgemein – warum ich das überhaupt mache oder warum ich das eher machen hätte sollen. Weil – ähm, wie ich schon angesprochen hab, es geht nicht alles um Geld. Also sch…, wie gesagt, „Selbstständig“ haben wir gehört und ähm, ich sehe das nicht nur um in den Sachen Geld verdienen, sondern es geht allgemein um Freiheit. Das ist mein Hauptziel. Freiheit ist das Hauptziel und ääh, ich weiß äh, dass, wie man mittlerweile Geld verdienen kann und …, dass man das auch angenehm verdie…, verdienen kann. Und ja, das ist … dann halt schade, dass man das nicht eher in Anspruch nehmen kö…, kann, um seine Freiheit einfach zu haben – weil Geld ist nur Energie, die man verwendet, um Mittel zu erhalten, nichts anderes.
Speaker 1 [00:47:58]
Und wie sah was bei deinen Eltern aus? Also wie … inwieweit war dieser Gedanke von Freiheit bei den vorhanden, oder wie viel haben die gearbeitet, um ihr Geld zu verdienen, also …?
Speaker 2 [00:48:11]
Das war was ganz anderes. Also bei meinen Eltern war das so: Die haben halt ähm … tz, wie gesagt, diese klassischen Berufe ausgeübt, die ich angesprochen habe und ääh, ging … hatten dann auch ein Nebenjob. Das habe ich auch schon vorher gemacht. Also dieses weitervermittelte von den Eltern, ne – diesen Nebenjobs Hauptjobs, aber irgendwann hab ich gedacht – das kann ja nicht sein. Und ääh, es ist … da muss sich halt ändern – Allgemein, um, wie gesagt um Freiheit zu leben einfach nur … und was auch das Hauptziel ist, ist klar Freiheit für sich selbst und irgendwann anderen Menschen damit äh, Gutes zu tun, das ist das Hauptziel, äh … was man mit Geld erreichen kann.
Speaker 1 [00:48:58]
Und was ich da jetzt herausgehört habe, dass deine Eltern eher viel mehr gearbeitet haben für ein klassisches, klassischen Lohn quasi, ne, für ein Gehalt … äähm …. und ähm … haben sie viel Zeit mit euch damals verbracht?
Speaker 2 [00:49:15]
Nein, gar nicht. Also, ich war ein klassisches Schüssel Kind. Ich, ich hatte auch einen, einen Extremfall, wo meine Mutter halt ihre Schicht nicht verschieben konnte und ich noch relativ klein war, also, ich glaub, circa drei Jahre alt und wo meine Mutter dann halt von der Arbeit kam und ääh … dann auf einmal unter dem Fenster Menschen standen, die die Arme offen halten, offen gehalten haben, weil ich an der Fenster Kante saß, alleine, weil sie musste halt kurz zur Arbeit und musste mich dann halt ers…, da alleine lassen. Ja … und da … Dann hat sie das gesehen – ist natürlich dann hoch gestürmt, ja … und das ist dann auch äh, gut gegangen … aber das hat sie dann auch so nicht mehr gemacht hat. Aber…, danach auch klassisches Schlüsselkind, also … meine Eltern waren so gut wie nie zu Hause.
Speaker 1 [00:50:10]
Hat das was mit dir gemacht?
Speaker 2 [00:50:12]
Ja, es ist halt zur Gewohnheit geworden, ne – dass man halt äh, viel … ääh, nach der Schule sich selbs…, um sich selbst kümmern musste, ne. Essen wurde von meiner Mutter schon vorbereitet und so, meistens. Das äh, haben wir dann halt meistens alleine gegessen nach der Schule. Ja … und … äh, so war man dann halt auch relativ selbstständig so.
Speaker 1 [00:50:38]
Mhm. Und äh, da prallen eigentlich zwei Welten aufeinander. Das heißt, die, die Generation bzw. deine Eltern hatten eine ganz andere so, Lebens … Philosophie quasi, ne – gut, das war auch eine andere Zeit natürlich, ne?
Speaker 2 [00:50:54]
Ja, auf, auf jeden Fall, weil, o… ich glaub, aus diesen Gründen auch, ne man nimmt ja von der Kindheit einiges so mit, weil dieses – ich sag ma‘ dieses zwanghafte Arbeiten, um s-c-h-n-e-l-l Geld zu machen, wieder zurück, ne – das war ja wirklich so viel wie möglich erreichen in kurzer Zeit … ich glaub, das hat dann auch einen geprägt – zu sagen – nee, das will ich so nicht. Da gibts ander… da muss es andere Wege geben. (Speaker 1 gleichzeitig: mhm) Und dann mit der Zeit hat man halt gelernt, okay, es kann andere Wege auch geben, anstatt diese klassischen Wege, die meine Eltern gegangen sind.
Speaker 1 [00:51:27]
Mhm. Und wie haben deine Eltern das akzeptiert, dass du jetzt eine, sag ich, andere Lebensphilosophie der Lebensweise überhaupt für dich aufgebaut hast?
Speaker 2 [00:51:35]
Jaa … das war … sehr, sehr schwierig. Mein Vater ist da absolut klassisch. Ich hab halt auch keine Unternehmer oder Selbständigen in der Familie, die mir da etwas äääh, vermitteln konnten. Ich musste alles selber lernen und dadurch halt auch diese angesprochenen Fehler der ersten Selbstständigkeit. Aber … wie … da hab ich mich halt selbst mit beschäftigt halt, wie gesagt, ich hab von anderen erfolgreichen Unternehmern immer weiter Videos geguckt und sooo … ne, die … da war halt der Klassiker USA, ne – man lernt aus Fehlern und so – ist nicht wie aus Deutschland: „Hab dir doch gesagt“ – wenn du Fehler machst und – „Wusste ich doch“. In den USA ist es halt bisschen anders und da hab ich halt viel gelernt von und hab gesagt: Okay, weiter. Und äh, das ist dann auch wirklich so gewesen, dass ich von diesen Fehlern teilweise dann auch äh, gut gelernt habe und äh, ja … dass dann auch umgesetzt hab und äh, mittlerweile … ist ja auch meine Frau auch selbstständig. Und diese Werte vermitteln wir da vor Ort auch … da haben wir auch keine Angst … mehr.
Speaker 1 [00:52:37]
Und … ähm, du hast gesagt, deine Motivation hinter deinem beruflichen Erfolg ist der Gedanken von finanzieller Freiheit, ne? Und inwiefern, inwiefern würdest du sagen, haben diese Erlebnisse mit deinen Eltern deine Definition des Begriffes des Begriffs Freiheit denn geprägt? Also…
Speaker 2 [00:53:00]
Ja, ich wollte halt nicht diese klassische Angestelltenverhältnis eingehen aufgrund dessen – ich muss um, sag ma‘, um sieben da sein bis 16. Diese Gedanken haben mich schon gestört. Das heißt, diese klassische äh, äh, festgehaltenen Zeiten muss so, muss so und das wusste ich immer. Das hat mich schon geprägt von meinen Eltern, weil ich wusste, die sind halt nicht da, um Geld zu verdienen … um diese Zeiten … mein Vater dann auch später sehr, sehr viel Nachtschicht gemacht, weil man einfach mehr Geld verdienen konnte. Und das Problem war dann halt, dass er halt sehr früh nach Hause gekommen ist und der schlafen musste. Wir als Kinder mussten halt leise sein, damit er schlafen kann. Weil wie ich angesprochen hab, war das eine relativ kleine Wohnung und dort sind wir halt oft … mussten halt leise sein. Das hat dann einen schon geprägt.
Speaker 1 [00:53:51]
Und äh, wie würdest du jetzt die Beziehung zwischen deinen Eltern oder deinem Vater und dir beschreiben? Also, wie sehen sie… deine Eltern dich jetzt? Also…
Speaker 2 [00:54:05]
Puhh,(atmet laut aus) … jaa … er … sag ma‘, mein Vater … sieht Erfolg … anders als ich … komplett andere Welt. Wie gesagt, ist klassischer Angestellter und äh, … die Selbstständigkeit ist st…, ma… absoluten Fremdwort. Der kann halt nichts damit anfa…, äh, anfangen. Und natürlich, durch die Jahre ist es halt sehr, sehr schwierig gewesen, ne … diese, diese Phase aufrecht zu halten. Es ist halt auch wie wahrscheinlich in vielen anderen Familien dieser Erfolg, dass der gezeigt werden muss – was mir aber nicht wichtig ist, da ich wie gesagt eine andere Entwicklung hatte. Mittlerweile ist es entspannt, aber ich sehe das alles anders, weil ich hab nicht diese Zwänge mehr, jemandem was zu beweisen müssen…, das hab ich alles nicht.
Speaker 1 [00:55:01]
Mhm. Und ääh, wie genau meinst du, er kann nichts damit anfangen? (Beide Speaker lachen bisschen über die Frage)
Speaker 2 [00:55:08]
Ja, er kann da … er kann es halt nicht greifen, ne. Wie …äh, wie? Wie viel Geld kommt jetzt rein? Es ist aber eine … das ist die Selbstständigkeit. (Speaker 1: Mhm) Angestellter weiß, es kommt ein Betrag X in jedem Monat rein. Bei dem Selbstständigten … äm, weißt du das halt nicht. Und besonders in der Anfangsphase gibt es kein Geld. Man investiert und es gibt kein Geld. Das ist halt so, und das – das muss man durchhalten. Und wenn man diese Hindernisse bewältigt hat und man weiter dranbleibt und man weiß, was man tut – kommt dann halt auch das Geld, was letztendlich nur Energie ist, nichts anderes, was man reingesteckt hat. (Speaker 1 gleichzeitig: Mhm, mhm, ja)
Speaker 1 [00:55:46]
Aber ich bin hier bei euch zu Hause und ich sehe, ihr habt eine schön eingerichtete Wohnung und lebt mit euren Kindern … also, das heißt, ihr verdient einiges, um dieses Leben aufrechtzuerhalten und nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern also … könnt … ja … äähm, habt euch einen Standard quasi erarbeitet. Äähm … das sieht bestimmt auch … das sehen die Eltern bestimmt auch, ne? Und würdest du sagen, trotzdem äh, sind sie nicht so ganz zufrieden, weil du quasi eine andere Art von Leben führst und die ein anderes hatten?
Speaker 2 [00:56:29]
Ja … ähm…, vielleicht … was heißt nicht zufrieden … die sind … Eltern sind wahrscheinlich immer sch.., stolz, wenn man äh … oder, oder auch ääh, ruhiggestellt, wenn es einem gut geht. (Speaker 1: Ja) Das ist mit Sicherheit so, aber man ist halt in fremden Welten unterwegs … die, die den Eltern dann vielleicht auch nicht bekannt sind, und das ist das halt das Ungewisse, was auch okay ist … aber … das ist halt so wie es ist, also. Es wär halt anders, wenn ich ihm erzählen würde, ich habe jetzt Nachtschicht, dann wüsste er, was die Nachtschicht ist. Oder ich hab jetzt Frühdienst und man würde sich dann verstehen. Aber man kann ja nicht darüber reden, wie man irgendwelche Geschäfte … äääh, hat oder was auch immer, was in meinem Geschäfts… äh…leben passiert. Da kann man halt so schlecht darüber sprechen, also miteinander. Aber ich muss aber auch sagen, da meine Produktion halt auch in, in auch teilweise in Serbien stattfinden, hat mir mein Vater auch sehr viel geholfen – also … tz … äh, Abholung oder eben Termine oder, oder, ähm, erledigen … wenn ich halt nicht vor Ort war, die er für mich erledigt hat. Das hat er schon oft gemacht.
Speaker 1 [00:57:35]
Also das heißt, er unterstützt dich schon in, in, in deinen … also in den Sachen, wo er das kann?
Speaker 2 [00:57:41]
Ja, ja … also er hat … er, er… er blockiert mich nicht, aber er ist auch nicht so und nicht so, ne … also, er macht da so … mit, er ist aber nicht so begeistert.
Speaker 1 [00:57:48]
Okay. Ja, danke dir für äh, diese zusätzliche Einblicke in dein berufliches Leben, in dein familiäres Leben. Und noch mal vielen, vielen Dank für das Interview und ja … alles Gute!
Speaker 2 [00:58:05]
Dankeschön! Danke. Dir auch. Ja, Zimmer war voll.