Name der interviewten Person: Anonym
Geschlecht: Männlich
Alter: 30
Religion/Glaubenszugehörigkeit: Moslem
Herkunftsland: Deutschland
Herkunftsland der Eltern: Serbien, Nordmazedonien
Kürzel: DR16.1
LG/TZ: LG
Speaker 1 [00:00:03]
So. Vielen Dank, dass du dem Interview zugestimmt hast.
Speaker 2 [00:00:07]
Gerne.
Speaker 1 [00:00:09]
Ich habe dir erklärt, worum es hier geht. Dass es ein Forschungsprojekt ist. Und es geht sich um die Diskriminierung und Resilienz an Roma durch diese Interviews anhand der Lebensgeschichte. [kurze Pause] Du darfst einfach alles erzählen, was du denkst, dass es für dich okay ist. Und du musst wissen, wenn ich eine Frage habe, musst du auch nicht darauf antworten, wenn es dir nicht passt. Oder du kannst das auch beantworten, wie du willst. Das heißt, es ist wirklich so, dass du nur das sagen darfst oder sollst, was du sagen möchtest. Ja? [Zustimmung durch Kopfnicken] Gut, dann fangen wir mal an. Erzähl mir einfach von deinem Leben.
Speaker 2 [00:01:12]
Boah, wo soll ich anfangen?
Speaker 1 [00:01:14]
Wo du möchtest.
Speaker 2 [00:01:19]
[längere Pause] Ich wurde ähm 1993 in [Stadt 1 in Deutschland] geboren.
Speaker 1 [00:01:25]
[Zustimmendes Geräusch]
Speaker 2 [00:01:29]
Ähm. [kurze Pause] Damals als Flüchtling in einem Asylbewerberheim. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Ähm. [längere Pause] Ja, ich bin auch in [Stadt 1 in Deutschland] aufgewachsen. Habe die Schule besucht, hab einen ganz normalen schulischen Werdegang gemacht, von Grundschule über Gesamtschule, [kurze Pause] hinüber [kurze Pause] zur ähm [kurze Pause] Fachhochschulreife. Ja, danach ne Ausbildung und [kurze Pause]
Speaker 1 [00:02:10]
Ausbildung als was?
Speaker 2 [00:02:12]
Heilerziehungspfleger.
Speaker 1 [00:02:13]
[Zustimmendes Geräusch] Wir bleiben bei deiner Geburt im Asylbewerberwohnheim. Hast du noch Erinnerung daran?
Speaker 2 [00:02:21]
Ja, ich hatte da noch Erinnerungen dran. Also, nicht viele. Ich war noch im frühkindlichen Alter. Und das, was man sich so gut wie noch am Rande erinnern kann. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Ich weiß, dass das [kurze Pause], ein riesen Treppenflur war.
Speaker 1 [00:02:43]
[Zustimmendes Geräusch]
Speaker 2 [00:02:44]
[kurze Pause] Da haben Menschen aus aller Welt gelebt, quasi Tür an Tür nebeneinander.
Speaker 1 [00:02:55]
Also war das schon ein richtiger Asylbewerberwohnheim?
Speaker 2 [00:03:01]
Ja.
Speaker 1 [00:03:02]
Mit gemeinsamer Küche?
Speaker 2 [00:03:02]
Genau, genau, gemeinsame Küche. Da kann ich mich auch noch erinnern, dass ich da meiner Mutter beim Kochen zugesehen habe.
Speaker 1 [00:03:15]
Ähm, waren also deine Eltern Asylbewerber?
Speaker 2 [00:03:19]
Ja.
Speaker 1 [00:03:21]
Okay. Ähm, gab es einen Moment, wo du dann gemerkt hast: Okay, wir sind jetzt Asylbewerber oder was anderes oder gar nicht?
Speaker 2 [00:03:35]
Nein, das Gefühl hatte ich nie. [kurze Pause] Ne, das Gefühl hatte ich nie, dass ich irgendwie, ok wir sind jetzt Asylbewerber. Ich wusste, wir sind Ausländer. Das war mir relativ schnell bewusst, weil ich auch von der Hautfarbe einfach anders aussehe als die, [kurze Pause] der Großteil meiner Mitmenschen in Deutschland. Aber dass ich so das Gefühl hatte, okay, ich bin jetzt Asylbewerber oder das Wort Asyl war mir als, als Kind [kurze Pause] kein Begriff.
Speaker 1 [00:04:17]
[Zustimmendes Geräusch]
Speaker 2 [00:04:21]
Weil da waren halt mehrere Familien, auch Roma und für mich war das normal, dass wir da beisammen waren, mehr oder weniger in einem [kurze Pause] Asylbewerberheim.
Speaker 1 [00:04:38]
[Zustimmendes Geräusch] [kurze Pause] Okay. Wie alt warst du, wo ihr dann aus dem Asylbewerberheim rauskamt?
Speaker 2 [00:04:52]
Im Kindergartenalter war ich. Da wurde ich noch nicht eingeschult. Genau. Im Kindergartenalter war ich.
Speaker 1 [00:05:05]
[kurze Pause] Ok. Und deine Eltern kommen woher?
Speaker 2 [00:05:10]
Aus Mazedonien. Beide. Also beide sind in Mazedonien geboren. [kurze Pause] Mein Vater ist in Serbien aber aufgewachsen, hat eine Schule besucht, die Ausbildung gemacht. Genau. Ich habe zu beiden Ländern relativ engen Kontakt.
Speaker 1 [00:05:33]
Also Serbien und Mazedonien?
Speaker 2 [00:05:34]
Genau.
Speaker 1 [00:05:37]
Was würdest du sagen, in der Kindheit, gab es denn irgendein Erlebnis oder ein Schlüsselerlebnis für dich, wo du gemerkt hast: Okay, wir sind jetzt Roma? Wie war das für dich, als du das erste Mal erfahren hast, dass wir Roma sind?
Speaker 2 [00:06:07]
[längere Pause] Da kann ich mich noch ganz vage dran erinnern an so [kurze Pause]. Ich bin mal bei einer Demonstration damals mitgelaufen. Ich weiß gar nicht mehr genau, was das genau war oder wann das genau war. Ich weiß nur, es ging um Roma und da findet gerade eine Bewegung statt. Da haben mich meine Eltern mitgenommen. Und dann bin ich mitgelaufen. Und da habe ich so das Romasein für mich entdeckt.
Speaker 1 [00:06:48]
Weißt du, wie alt du da warst?
Speaker 2 [00:06:53]
Schwierig, ich glaub ich war vielleicht, wenn’s hochkommt, in der ersten Klasse. Wenn überhaupt. Ich glaube, ich war dann nicht viel älter als sechs, sieben.
Speaker 1 [00:07:09]
Okay, zu diesem Romasein kommen wir später noch mal. Aber vorher, erzähl mir mal was über deine Familie, deine Vorfahren, also die Geschichte deiner Großeltern. Was kennst du da?
Speaker 2 [00:07:31]
Ja, meine beiden Großeltern kommen aus Mazedonien, haben auch da lange gelebt. Haben sich da gefunden, dort geheiratet. Ich weiß, dass [kurze Pause] sie [kurze Pause] vor allem auch in den Sommerzeiten [kurze Pause] in Serbien arbeiten gegangen sind, also Zeitarbeit und haben da quasi das Geld für das gesamte nächste Jahr dann, [lächelt] mehr oder weniger, verdient. Wobei, mein Opa war glaube ich auch Metzger, wenn mich nicht alles täuscht. Ja doch, genau der war Metzger zwischenzeitlich. Jedenfalls kam dann irgendwann mein Vater auf die Welt. Dann haben die sich irgendwann entschieden, nach Serbien zu ziehen. Wegen der Arbeit, dass sie da einfach mehr Möglichkeit haben zu arbeiten. Das Leben war besser, also nagel mich da nicht drauf fest. Ich weiß es nicht genau, was die Hintergründe waren, weshalb sie nach Serbien gezogen sind. [längere Pause] Ja, mein. Ähm, sowohl meine, meine Oma als auch mein, mein Opa haben relativ viele Geschwister, wodurch sich die Familie dann nach und nach exponentiell [lacht] vergrößert hat. [kurze Pause] Ja, und die, die meisten meiner Familienangehörigen, die halt in Mazedonien gelebt haben, haben halt keine großartige Ausbildung oder sowas genossen, sondern, haben, fast alle durchweg durch Zeitarbeit und hier und da mal ein bisschen Arbeiten verbracht.
Speaker 1 [00:09:44]
Welche Erinnerungen hast du denn an deine Großeltern?
Speaker 2 [00:09:50] An meine Großeltern?
Speaker 1 [00:09:55]
Oder ältere Familienmitglieder.
Speaker 2 [00:09:57]
An meine Großeltern habe ich durchweg positive Erinnerungen. Herzensgute Menschen. Das Herz auf der Zunge, immer geradeaus das gesagt, was irgendwie gerade im Sinn stand. Ich war leider nicht so alt, um die so nah kennenzulernen, wie sie wirklich waren. Ich glaube, in meiner Anwesenheit oder in Anwesenheit von Kindern war natürlich noch mal ein bisschen anders als gegenüber Erwachsenen. Ich glaube, das kennst du. Aber ich glaube, dass vor allem auch mein Opa eine große Autorität war, auch in seinem Freundeskreis und auch im Familienkreis, dass seine Worte ziemlich hohes Gewicht hatten. Ich glaube, der war auch sehr emotional, nicht aber wie. Wie sagt man?
Speaker 1 [00:11:06]
Dominant?
Speaker 2 [00:11:07]
Nein, nicht dominant. Ein sehr temperamentvoller Mensch. Ich bin in einer Sekunde supergut drauf und dann passt ihm irgendwas nicht. Und dann ist es vielleicht mal hier und da laut geworden. Ja, und so vom Charakter her. Von meinen Großeltern väterlicherseits, wohlbemerkt väterlicherseits, die Großeltern sind, also heben sich im Positiven von den anderen älteren Familienmitgliedern. Charakterlich haben sie das, was ich von denen mitbekommen habe an der Erziehung. Das ist jetzt kein ultimativ großer Teil, aber das, was ich mitbekommen habe, hebt sich schon sehr von dem ab, was ich jetzt zum Erwachsenenalter von den anderen Familienangehörigen, Älteren mitbekommen habe. Das ist schon ein sehr., ja, ich würde schon behaupten, westlicheres Denken als viele andere Familienangehörige.
Speaker 1 [00:12:26]
Was heißt denn genau für dich, westlicheres Denken?
Speaker 2 [00:12:31]
Offener. Und nicht sehr stur auf dem, was traditionell gerade los ist, sondern durchaus ein bisschen offener.
Speaker 1 [00:12:46]
Okay, wie haben denn deine Großeltern oder ältere Familienmitglieder innerhalb der Roma-Community, wie sie da wahrgenommen oder wie war das Zusammenleben von denen innerhalb dieser Roma-Community?
Speaker 2 [00:13:08]
Ja wie vorhin schon gesagt, die hatten einen sehr bekannten Status, einen sehr autoritären Status. Zumindest, dass ich das so wahrnehme und so wie die Älteren, also aus ihrer Generation, die Menschen mir so ein bisschen von denen berichten, waren die schon Leute, die ein hohes Ansehen hatten, unter sich.
Speaker 1 [00:13:38]
Ok. Gab es dann auch andere ältere Personen in, ähm.
Speaker 2 [00:13:44]
Ja, in meinem Leben. Ja, es gab einige. Aber wie gesagt, da waren meine Großeltern väterlicherseits, hatten sich schon sehr, ja, abgehoben, also von den Charakterzügen, von dem Denken der anderen Älteren.
Speaker 1 [00:14:06]
Ok.
Speaker 2 [00:14:08]
Und mütterlicherseits, zu meinen Großeltern habe ich nicht so intensiv, habe ich keine so intensive Beziehungen gepflegt wie zu den von meinen väterlicherseits.
Speaker 1 [00:14:27]
Wie würdest du die Beziehung zwischen deinen Großeltern und deinen Eltern beschreiben?
Speaker 2 [00:14:38]
Väterlicherseits Großeltern? [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Oh, das ist eine gute Frage. Eine schwierige Frage. Weil ich als Kind. Ja, also, ich muss sagen, ich bin, ich sehe grundsätzlich immer erst mal das Positive im Menschen und achte nicht so viel auf, [kurze Pause] auf negatives. Negatives ist aber schlecht. Es ist ein zu hartes Wort und ich muss sagen, ich habe immer nur positive Erinnerungen für mich behalten.
Speaker 1 [00:15:14]
Was Die Beziehung von Großeltern und Eltern?
Speaker 2 [00:15:17]
Ja, genau. Ich habe nur Positives so im Kopf. Die Abende, die man im gemeinsamen Urlaub mit meinen Eltern in Mazedonien bei meinen Großeltern draußen im Garten am Tisch erlebt hat. Dieses sehr gesellige, teilweise gesellig Laute, das habe ich in Erinnerung. Das, was vielleicht zwischenmenschlich schon in jeder Familie mal passiert, dass es irgendwie Meinungsverschiedenheiten gibt oder einfach eine Diskussion, die habe ich eigentlich nie wahrgenommen. Habe für mich immer gedacht, die sind alle immer auf einen Nenner. Das kann natürlich nicht sein. Aber als Kind habe ich in mir immer nur das halt vor Augen gehalten, dass es da nie irgendwie negative Beziehungsaspekte gab, sondern immer nur durchaus positive.
Speaker 1 [00:16:22]
Gibt es irgendwelche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten, die du sehen kannst zwischen deinen Großeltern und Eltern?
Speaker 2 [00:16:36]
[längere Pause] Die Gemeinsamkeiten: die Offenheit, [kurze Pause], die Position innerhalb der Roma-Community, würde ich behaupten, ist auch zum großen Teil ähnlich oder gleich, [kurze Pause] verschieden, aber das habe ich erst alles im Nachhinein erfahren oder am Rande mitbekommen. So nach Erzählungen von meinem Vater. [längere Pause] In der Erziehung, den eigenen Kindern freien Lauf zu lassen, sich selber zu entfalten, selber zu entwickeln und nicht zu sehr zu bevormunden. Das ist ein Unterschied. Ich glaube durchaus, dass mein Vater von seinen Eltern nicht so die Freiheit genossen hat oder genießen durfte, wie ich sie genossen habe.
Speaker 1 [00:18:00]
Okay. Wie würdest du deine Mutter beschreiben?
Speaker 2 [00:18:18]
Das ist eine gute Frage. Wie würde ich meine Mutter beschreiben? [längere Pause] Sehr fürsorglich. Eine sehr starke Persönlichkeit. Sie selber nimmt es überhaupt nicht so wahr. Aber ist sie durchaus, fürsorglich. Sehr charakterstark. Versucht immer irgendwie die Waage zu halten, zum Beispiel in Konflikten. Und ich erlebe es hier und da so als Vermittler zwischen beiden. So ein bisschen die stille Post. Sehr liebevoll. Eine herzensgute Frau. Ich glaube, das habe ich von ihr immer das Gute in anderen Menschen sehen und das Negative nicht im Vordergrund halten, sondern immer irgendwie gucken: Könnt ihr doch vielleicht was werden? [längere Pause] Ja, ich müsste über die Frage etwas länger nachdenken. Das sind so die Kernpunkte, die mir gerade sofort in den Kopf schießen. Ich glaube, das ist das, wie ich meine Mutter so sehe. Jetzt stellen wir nicht die Frage, über meinen Vater [lacht].
Speaker 1 [00:19:59]
Okay. Also welche [kurze Pause] Ereignisse oder Erlebnisse denkst du, dass sie dich geprägt haben, was deine Mutter betrifft?
Speaker 2 [00:20:20]
Ihre, noch mal, ihre Denkweisen?
Speaker 1 [00:20:27]
Nein, Erlebnisse, an die du dich erinnern kannst. Was du denkst, die dich geprägt haben oder besonders geprägt haben.
Speaker 2 [00:21:00]
[längere Pause] Weiß ich grad nicht.
Speaker 1 [00:21:01]
Okay. Die andere Frage wäre: Was meinst du, warum deine Mutter so eine liebevolle, fürsorgliche Charaktereigenschaft hat, Hilfsbereitschaft und diese ganzen Sachen?
Speaker 2 [00:21:21]
Weil sie grundsätzlich, immer guckt, dass es anderen gut geht. Sie stellt sich immer in den Hintergrund. Also ihre Bedürfnisse stellt sie grundsätzlich in den Hintergrund und guckt erst mal, dass es uns gut geht. Mit uns meine ich halt die Familie. Das ist das. Die guckt immer erstmal, geht es allen anderen gut. Und dann irgendwann komm ich. Und da verliert sie sich oftmals. Das ist an sich im ersten Moment etwas Gutes. Es ist ein gutes Gefühl, dass da jemand ist, der sich um einen sorgt. Aber andererseits für Sie persönlich, ist das teilweise eine negative Eigenschaft.
Speaker 1 [00:22:21]
Ja, wie würdest du deine Beziehung zu deiner Mutter beschreiben?
Speaker 2 [00:22:28]
Sehr gut. Eine sehr enge Beziehung. Ja, ich habe ihr. [kurze Pause] Immer ist gelogen, aber, [kurze Pause] ja, fast immer, alles erzählt, was mir irgendwie gerade auf dem Herzen lag. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mit ihr über alles sprechen kann und das da irgendwie nicht im nächsten Moment es dann plötzlich laut wird und ich irgendwie Ärger bekomme, auch wenn ich irgendwie Blödsinn gemacht habe. Da hatte ich immer das Gefühl, dass ein offenes Ohr und das ist nach wie vor immer noch so, dass ich mit ihr über Gott und die Welt, über meine Probleme sprechen kann und das ist immer ein fester Ansprechpartner.
Speaker 1 [00:23:27]
Okay. Wie würden Sie Ihren Vater beschreiben?
Speaker 2 [00:23:32]
Mein Vater? [kurze Pause] Ein, ähm, ebenfalls sehr, sehr liebevoller Mensch. Eine starke Autorität, auch für mich persönlich. Ein sehr intelligenter bzw. intellektueller Mensch, der nicht immer, aber oft gut nachdenkt bevor er spricht. Ähm, und sachen, ich würde sagen seine, seine größte Stärke ist, ist sein Intellekt. Dass er Menschen sehr gut etwas beibringen kann, bzw. das was er denkt oder worüber er spricht. Dass er das auf eine Art und Weise rüberbringt, dass das jeder versteht. Der nicht kognitiv eingeschränkt ist. Ähm, Ja, ist genauso wie meine Mutter. Natürlich eine Vater-Autorität für mich, aber auch ein Freund.
Speaker 1 [00:24:58]
[Zustimmendes Geräusch] Wie würdest du denn die Beziehung zu deinem Vater beschreiben?
Speaker 2 [00:25:02]
Genauso. Wie bei meiner Mutter. Beide haben mir immer das Gefühl gegeben, dass ich zu denen kann, mit allem Möglichen, was mich gerade im Leben beschäftigt. Auch wenn es peinliche Dinge sind für einen, die man irgendwie nicht direkt mit mit. Eltern bespricht sich nicht. Es geht um. Um die erste große Liebe. Oder das erste Mal. Ähm, Da konnte ich immer offen mit denen darüber sprechen, auch wenn ich es nicht immer sofort getan habe, weil dann doch irgendwo eine Hemmschwelle ist bei dem einen oder anderen Thema. Aber ich hatte durchaus immer das Gefühl, okay, ich kann da mit denen darüber darüber sprechen und die Beziehung hat sich nach und nach fast schon freundschaftlich entwickelt.
Speaker 2 [00:26:01]
So, Ja, es ist immer, ähm, Platz dafür für für Späßchen und Lachen. Das ist etwas, was mein Vater und mich sehr verbindet. Der ehrliche oder gleiche Humor. Ähm, [kurze Pause, denkt nach] Ja, und es ist aber auch Platz für irgendwie Meinungsverschiedenheiten, dass man sich gegenseitig mal die Meinung sagen kann, ohne dass der andere laut wird oder die Tür zu knallt oder oder sowas. Ja.
Speaker 1 [00:26:36]
[Zustimmendes Geräusch] [kurze Pause] Wie würdest du den Einfluss deiner Mutter und den Einfluss des Vaters auf dein Leben vergleichen?
Speaker 2 [00:26:58]
Der war unglaublich groß. Immer gewesen. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1]
Und die haben… mir [kurze Pause] ähm, [kurze Pause] einen Weg gezeigt oder Wege gezeigt, die ich gehen kann. Und haben mich dann gehen lassen. Die haben mir eben beim gehen geholfen, die ersten Schritte, und dann haben sie mich gehen lassen. Wenn ich dann mal gefallen bin, dann bin ich geflohen und gefallen. Da hat die Mama ein Pflaster drauf gemacht und dann ging es am nächsten Tag weiter. So, die Metapher finde ich ganz gut [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] [kurze Pause] Oder der Papa hat ein Pflaster draufgemacht, aber. Ich will den Papa da nicht…
Speaker 1 [00:27:56]
Gab es denn irgendwelche Erlebnisse oder Geschehnisse, die es, ähm, was deine Mutter und Vater betrifft, dich besonders geprägt haben?
Speaker 2 [00:28:14]
Ähm… Mit Sicherheit einige Sachen. Die mich geprägt haben. Ähm… Da war jetzt aktuell, also ad hoc fällt mir keine explizite Situation ein. Ja, das war eine Situation, die hat mich mein Leben lang geprägt. Ich glaube, das waren viele kleine Sachen, ähm, beim Abendessen, in Gesprächen, die mich dann eben geprägt haben. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Das war eigentlich die gesamte Erziehung. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Es war kein eindeutiges Ereignis, das mich sowohl positiv aber auch negativ geprägt hat. Ne, das hatte ich nicht. Ne. Also es war sicherlich irgendwie eins dabei, aber mir fällt gerade keins ein.
Speaker 1 [00:29:11]
Was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihren Geschwistern?
Speaker 2 [00:29:19]
[lacht] Zu meiner Schwester ein sehr, sehr, sehr enges Verhältnis, weil uns nur drei Jahre trennen. Ich bin drei Jahre älter als sie. Ähm, [kurze Pause] ein sehr, sehr enges, freundschaftliches, geschwisterliches, ähm, geschwisterliche Beziehung. Ähm, [kurze Pause] ich glaube, dass ich sie auch sehr geprägt habe und dass sie auf mich als großen Bruder hört [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] und von meinen Erfahrungen, die ich gemacht habe, profitiert. Und zu meinem kleinen Bruder: uns trennen 17 Jahre. Das ist natürlich noch mal ein ganz, ganz großer Unterschied. Und die, würde ich sagen, ist schon fast väterlich. Die Beziehung zu dem. Ähm, ich meine, du musst verstehen, ich war 17. Meine Schwester war 14 oder bald 15. Ähm, und wir waren mehr oder weniger aus dem Gröbsten raus. Das heißt, meine Eltern haben so das Gröbste an der Erziehung, das Spiel haben die durchgespielt und dann kommt plötzlich ein neuer und dann ist es alles auf Reset. Und dass sie dann da nicht mehr die, ähm, Lust und die Motivation haben, da engmaschig dabei zu sein und von der Pike auf alles neu zu erziehen und dass sie da so ein bisschen fair mit umgehen: So mach mal, kriegst du schon hin und ist ja irgendwo klar. Und da sind dann ganz schnell meine Schwester und ich in diese Erziehungsrolle reingekommen. Und heute gibt’s immer noch Situationen. Mein Bruder ist mittlerweile 13 Jahre alt. Heute gibt es immer noch Situationen, wo mein Vater oder meine Mutter nicht mehr [kurze Pause] bei ihm ankommen und dann sag ich irgendwie ein Wort oder zwei und dann springt er und dann kommt irgendwie meine Mutter: Ja, cool, hat jetzt funktioniert. So musste ich immer mit meinem Bruder kommen. Na also, ich bin da schon, würde ich behaupten, eine Autorität auch für ihn. Ja. Aber auch ein, ich würde behaupten, auch sehr, sehr freundschaftlich.
Speaker 1 [00:31:59]
Gibt es etwas, was dich von deinen Geschwistern enorm unterscheidet?
Speaker 2 [00:32:01]
[längere Pause] Ähm. Zuallererst, dass ich älter bin als alle. [kurtze Pause, lacht] Damit einhergehend natürlich, ähm, die ganzen Erfahrungen, die ich gemacht habe. Mein ganzer Werdegang, ähm, den habe ich halt vorher, bevor sie ihn bestritten haben, habe ich den schon bestritten, ähm, und habe da halt enorme Erfahrungen gesammelt, habe Fehler begangen, [kurze Pause] die sie im Nachhinein nicht gemacht haben, weil ich sie davor bewahren konnte. Zum Beispiel bei meiner Schwester. Ihr schulischer Werdegang. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Das sind einige Sachen, wo ich sie vor davor beschützt habe oder bewahrt, habe oder sie gewarnt habe. Das war bei mir nicht der Fall, weil, habe ich ja vorhin schon erzählt, meine Eltern sind beide in Mazedonien bzw. Serbien aufgewachsen, haben da die Schule besucht und das schulische System in Deutschland kannten die beiden nicht. Das haben die erst mit mir gemeinsam gelernt und viele Sachen vor allem dann Sekundarstufe Zwei habe ich mehr oder weniger alleine die Erfahrung gemacht, ohne dass irgendwie mein studierter Vater mir gesagt hat und die Erfahrung irgendwie mitgebracht hat und mich irgendwie vorwarnen konnte. Ich musste meine Erfahrungen durchaus alleine machen und da konnte ich eben als älterer Bruder meiner Schwester schon durchaus sehr helfen. Ich glaube, das macht mich so aus, dass ich eben dieses… In den schulischen Werdegang mehr oder weniger, ähm, alleine bestritten habe. Wie läuft das? Ähm, was braucht man wo, in welcher Situation? Zum Beispiel die Gesamtschule mit diesen ganzen Kursen, die man machen kann. Ich meine, mein Vater hat sich da immer bzw. meine Eltern haben sich da auch immer schlau gemacht und waren irgendwie im Bilde. Aber ich war halt an der Front und habe es am eigenen Leib erfahren, wie es ist, in diesen deutschen Schulen, im Schulsystem groß zu werden. Das hatten meine Eltern nicht und konnten mich irgendwie nicht vorwarnen.
Speaker 1 [00:34:46]
[Zustimmendes Geräusch] Sie sind…
Speaker 2 [00:35:46]
Ne, alles gut.
Speaker 1 [00:34:48]
Wir sind ja jetzt bei deiner Schulzeit, ja. Ähm, erzähl mal von deinen Freunden, Erlebnissen oder als du noch Jugendlicher in der Schule warst. [Zustimmendes Geräusch Speaker 2] Wie war das für dich da? Wussten die Mitschüler das du Rom bist?
Speaker 2 [00:35:10]
Nicht direkt. Ähm, [kurze Pause] ich habe. [kurze Pause] mich ehrlich gesagt nicht direkt getraut, das zu sagen, weil ich Angst hatte, irgendwie ausgegrenzt zu werden, aufgrund meiner Herkunft. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Ähm, nach und nach habe ich das meinen engsten Freunden gesagt, damit war das auch in Ordnung, da hatte ich auch irgendwie keine Diskriminierung. Aber ich hatte immer Mazedonien gesagt, dass ich daherkomme und nie irgendwie gesagt: Ich bin Rom. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1]
Speaker 2 [00:35:52]
Ähm. [kurze Pause] Ja.
Speaker 2 [00:35:54]
Und natürlich ging es irgendwann rund, dass ich Rom bin. Viele wussten gar nicht, was ist das? Und dann vielleicht irgendwann, das war ja klar, das Wort Zigeuner. Ähm, und dann fiel auch hier und da das Wort: Ah, da kommt der Zigeuner. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Aber ich muss ehrlich gestehen, ich war, irgendwann stand ich da drüber. Mir hat das nichts ausgemacht. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Für mich war das einfach irgendein blödes Wort. Da betitelt mich jemand als solches. Ähm ich habe aber irgendwie nicht das Gefühl gehabt, es verletzt mich jetzt. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Ich stand einfach da drüber. Das war mir zwar nicht gleich und das ist irgendwie nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen. Aber es hat mich nicht so sehr berührt, dass ich jetzt irgendwie, dass ich emotional geworden bin. Überhaupt nicht. Ne. Ich stand da drüber und für mich war das dann in Ordnung. Ich habe das dann vielleicht mal unter anderem gesagt, dass ich das nicht möchte. Ähm. Dann kam auch: Freundliche Reaktionen. Dabei war jetzt irgendwie kein Hass zu spüren. Ne, dass das nicht ich bin, wird behauptet. Ich bin damit eigentlich ganz gut umgegangen, [kurze Pause] für mich.
Speaker 1 [00:37:28]
Ähm. Zwei Fragen in dem, was jetzt die Schulzeit betrifft. Gab es irgendeine Gruppe in der Schule, wo du dich am meisten wohl gefühlt hast? Und zweitens, inwieweit hat dich diese Schulzeit oder diese Gruppe oder dieses Freundeskreis geprägt?
Speaker 2 [00:37:52]
Ich habe einen Kern an Freunden gehabt: zwei. Das sind Nachbarskinder. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Mit denen bin ich hier auf dem Bolzplatz großgeworden. Mit denen war ich durchweg die ganze Zeit. Und wir drei, ähm, hatten die verschiedensten Freundeskreise in der Schule. Dann waren wir mal mit den Ausländern unterwegs, dann immer mit den Deutschen unterwegs, ähm, also war wirklich kunterbunt. Mit allen haben wir uns gut verstanden. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Wir hatten jetzt irgendwie keine Gruppierung, die gesagt haben: Ne, mit denen haben wir jetzt keine Lust. Oder vielleicht kann ich auch dazu sagen, die zwei anderen Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin. Es ist einer halb-deutsch, halb-türkisch und der andere ist Halb-Belgier, Halb-Ire. Und wir sind halt so Multi-Kulti, dass wir uns halt irgendwie mit allen durchweg gut verstanden haben. Ich habe sehr, sehr viel Fußball gespielt im Vereinsleben, da spielt man gegen andere Mannschaften, Gleichaltrige und daher kannte ich viele, die auf der Schule waren, ohnehin schon vom Fußball. Und Rivalitäten waren zum Beispiel nicht schwer irgendwie mit allen, mit allen gut.
Speaker 1 [00:39:22]
Also würdest du sagen, es gab jetzt keine nennenswerte Konflikte oder Probleme in der Schulzeit?
Speaker 2 [00:39:29]
Ne.
Speaker 1 [00:39:33]
[hustet] [kurze Pause] Okay. [kurze Pause] Ähm, [kurze Pause] Was mache sie beruflich?
Speaker 2 [00:39:46]
Ich bin Heilerziehungspfleger. Ich arbeite in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung.
Speaker 1 [00:39:51]
[Zustimmendes Geräusch] Ähm. Erzähl mal davon.
Speaker 2 [00:39:59]
Ich hatte… Von Anfang an? Wie ich dazu gekommen bin?
Speaker 1 [00:40:03]
Wie du willst.
Speaker 2 [00:40:04]
Oder was? Was willst du genau wissen?
Speaker 1 [00:40:08]
Also, das ist deine Lebensgeschichte. Du erzählst das, was du…
Speaker 2 [00:40:11]
Ich hatte nie großen Kontakt zu Menschen mit Behinderung. In meiner Familie oder im Umfeld, nie. Für mich kam nie der Gedanke irgendwie in der Jugend: Ich arbeite später mit Menschen mit Behinderung. Habe ich nie das Gefühl gehabt. Ich habe halt mein Fachabitur gemacht. Ich wollte Sozialarbeit studieren und habe die Anmeldefrist verpasst. In ganz Deutschland ist die im August. Nur in [Stadt 1 in Deutschland] war sie im März und dann dachte ich mir, dass ich halt jetzt ein Jahr eine Lücke im Lebenslauf hatte. Ich muss sagen, ich hatte keine Lust, irgendwie nach Köln zu ziehen und Sozialarbeit zu studieren. Ich habe direkt vor der Haustür, in [Stadt 1 in Deutschland], eine Universität, und dann werde ich in [Stadt 1 in Deutschland] wohnen und studieren. Für mich kam gar nicht in Frage, irgendwie in eine andere Stadt zu ziehen, weil mir das viel zu stressig gewesen wäre. Jedenfalls hatte ich keine Lust, dass ich eine Lücke im Lebenslauf habe und dachte mir: Ja, dann machst du ein Freiwilliges soziales Jahr. Kommt gut auf dem Lebenslauf, da gucken die Arbeitgeber gerne drauf. Da ist jemand, der engagiert sich ehrenamtlich. Und dann durfte ich in einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ein Kind betreuen. Eine Eins-zu-eins-Betreuung. Und das war mein erster Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Und während diesem Jahr habe ich gemerkt: Okay, das macht Spaß. Ähm, man bekommt unheimlich viel mit von denen, bzw. man bekommt unheimlich viel zurück von den Menschen mit Behinderung. Vor allem Menschen mit einer geistigen Behinderung. Wenn die dich mögen, dann mögen die dich und wenn die dich an einem Tag mal nicht mögen, dann spürst du das. Das ist dieses direkte und ehrliche Feedback, was du bekommst. Und die Dankbarkeit, die man verspürt oder die man bekommt von einem, bekommt man in keinem anderen Job. Das war mir bewusst während diesem Jahr. Ich habe vielleicht ganz kurz einem 8-jährigen Jungen beigebracht, seinen Namen zu schreiben. Vier Buchstaben, Leon. Und das hat ungefähr eine Woche gedauert. Und nach dieser Woche konnte er das. Ich habe ihn positiv bestärkt, habe dem so einen High Five gegeben. Und er hat vor Freude angefangen zu weinen und hat mir ein Küsschen auf die Wange gegeben. Das war für mich der Schlüsselmoment. Wie gesagt, man hat die Dankbarkeit gespürt. Bekommst du nirgendwo in irgendeinem Job auf dieser Welt. Dann dachte ich: Ja gut, dann machst du die Ausbildung und studierst nicht. Das war quasi auf Umwegen an diesen Job gekommen. Hätte ich die Anmeldefrist nicht verpasst, wäre ich nie zu diesem Job gekommen, weil ich nie einen Gedanken daran verschwendet habe. Ja, und dann habe ich die Ausbildung gemacht und bin dann irgendwann im [Name der Arbeitsstätte] angekommen.
Speaker 1 [00:43:29] [kurze Pause]
Okay. Ähm…
Speaker 2 [00:43:32]
Ja, und da arbeite ich jetzt seit acht Jahren.
Speaker 1 [00:43:40]
[kurze Pause] Inwiefern spielt, spielte oder immer noch spielt die Roma Community eine Rolle in ihrem Leben?
Speaker 2 [00:43:54]
Ähm, die Roma Community ist halt ein Bestandteil von mir. Ich bin nun mal Rom. Damit identifiziere ich mich auch sehr, sehr, sehr offen mittlerweile, wenn mich jemand fragt, woher ich komme, dann sage ich, woher meine Eltern kommen. Ich bin gebürtig aus Deutschland. Ich bin hier geboren. Ähm, und dann sage ich immer dazu, dass ich Rom bin. Und, ähm, die Roma Community ist nach wie vor ein Bestandteil von mir. [kurze Pause] Ich bin jetzt keiner, der irgendwie aktiv in der Roma-Community ist. Sei es irgendwie um Projekte, wenn es um Projekte geht oder so, dass ich aktiv dabei bin. Das nicht. Ähm, [kurze Pause] aber ist halt ein Bestandteil von mir, die Roma Community.
Speaker 1 [00:45:07]
[Zustimmendes Geräusch] Ähm, [kurze Pause] spielt denn deine Identität als Rom in deinem Alltag eine Rolle?
Speaker 2 [00:45:19]
Ähm, ob ich vielleicht benachteiligt werde? Willst du darauf hinaus?
Speaker 1 [00:45:23]
Ne, dass du Rom bist. Du gehst ja offen damit um.
Speaker 2 [00:45:29]
Genau.
Speaker 1 [00:45:31]
Und, aber so im Alltag. Spielt das überhaupt eine Rolle?
Speaker 2 [00:45:35]
Ne, nicht großartig. Ich bin Rom. Ich bin Mensch. Ich bin deutsch. Meine Eltern kommen aus dem Balkan. Ähm, ich habe Freunde aus allen Nationen dieser Welt. Und ich laufe halt durch meinen Alltag. Und ich bin ich halt, wie ich halt bin. Und das spielt für mich keine Rolle, was ich bin.
Speaker 1 [00:46:15]
[Zustimmendes Geräusch] Okay. Ähm. Du bist verheiratet?
Speaker 2 [00:46:16]
Ja.
Speaker 1 [00:46:19]
Wie hast du deine Partnerin denn kennengelernt?
Speaker 2 [00:46:22]
Soll ich ehrlich sein? Über Facebook. [beide lachen] Über Facebook tatsächlich. Das ist aber eine ziemlich lustige Geschichte.
Speaker 1 [00:46:37]
Erzählen Sie mal von Ihrer Partnerin, Herkunft…
Speaker 2 [00:46:41]
Ja. Sie kommt aus Serbien. Ähm, und mein Großonkel und meine Großtante. Die haben auch in Serbien gewohnt und kannten da natürlich alle. Und die meinten irgendwann: Ey, hör mal, da ist so ein Mädel, die ist super, ähm, schreib doch mal mit der. Und dann habe ich gedacht: Ja, warum denn nicht? Kann man da noch mal ein bisschen Kontakte knüpfen und für mich war nie die Intention irgendwie: Oh, da ist jemand, ähm, den kann ich heiraten oder die kann ich heiraten. Sondern vielmehr: Ja, kann man mal Kontakte knüpfen und gucken, wie sie so ist und dann hat einfach mehr oder weniger eins zum anderen geführt. Und ich habe halt mit ihr geschrieben. Charakterlich fand ich die gut, beziehungsweise, ich finde sie immer noch charakterlich gut. Dann haben wir uns mal getroffen, haben uns gesehen und dann war relativ schnell klar für sie, aber auch für mich, das könnte was Ernstes geben. Ja, und dann kam es halt, wie es gekommen ist.
Speaker 1 [00:48:14]
Was würdest du sagen, wie ihr sozialer Hintergrund ist oder ihre Persönlichkeit, wenn du sie so beschreiben könntest?
Speaker 2 [00:48:32]
Ähm, sie ist auch eine sehr, sehr starke Persönlichkeit. Mich nervt es teilweise, dass sie ein bisschen hier und da etwas zu stark ist. Sie ist sehr, sehr selbstbewusst, auch sehr fürsorglich, sehr liebevoll. Ihr, ihr Hintergrund wolltest du, von zuhause?
Speaker 1 [00:48:52]
Sozialen Hintergrund.
Speaker 2 [00:48:53] Sozialen Hintergrund. Ähm, ich meine, sie ist halt in Serbien geboren und aufgewachsen.
Speaker 1 [00:49:02]
Auch eine Romni?
Speaker 2 [00:49:03]
Auch eine Romni. Und da läuft der Hase halt anders als hier in Deutschland. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Ähm, wenn du halt als braunhäutiger Mensch da rumläufst, dann stellt man sich nicht die Frage: Ist er vielleicht ein Araber, ein Türke oder weiß Gott was? Sondern es ist klar, du bist Rom. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1] Alleine durch deine Hautfarbe ist klar: Du bist Rom und da ist die Diskriminierung noch mal eine ganz andere. Und die Benachteiligung ist dann auch noch mal eine ganz, ganz andere. [Zustimmendes Geräusch Speaker 1]
Speaker 1 [00:49:44]
Was heißt: eine ganz andere?
Speaker 2 [00:49:47]
Viel direkter als hier. Hier wirst du vielleicht benachteiligt aufgrund deiner Hautfarbe, aber nicht direkt, weil du Rom bist, weil das nicht offensichtlich ist. In Serbien läufst du rum durch die Stadt und dann sieht dich jeder und weiß sofort, du bist Rom. Das kann keine andere Nation sein, weil der überwiegende Teil der braunhäutigen Menschen da eben Roma sind. Ja, und damit ist sie halt aufgewachsen.
Speaker 1 [00:50:25]
Hat sie dir denn ähm, Erlebnisse erzählt?
Speaker 2 [00:50:29]
Ja, durchaus. Die jugendlichen serbischen Jungen vor allem haben sehr viel Stunk gemacht. Sind denen nachts, abends zur etwas späteren Stunde auf dem Heimweg mit ihren Freundinnen hinterhergelaufen und irgendwie blöd angemacht.
Speaker 2 [00:50:56]
Ja.
Speaker 2 [00:50:58]
Ja, sie hat, als einfaches Beispiel, sie hat die Schule unheimlich geliebt, hat acht Jahre Schule gemacht. Da ist es halt ähnlich wie hier Sekundarstufe Eins nach der Zehnten. Bis dahin ist halt die Schulpflicht und sie wollte unbedingt weitermachen. Sie wollte, weil sie sehr gut in der Schule war, wollte sie weitermachen. Ihr Vater wollte es aber nicht aufgrund der Diskriminierungen. Er wollte ihr das Leid ersparen und hat sie nicht zur Schule geschickt.
Speaker 1 [00:51:34]
Ja, okay, jetzt bist du ja hier in Deutschland geboren. Ich nehme an, du nimmst das Deutschsein und den [Stadt 1 in Deutschland] er Raum als deine Heimat wahr. Ist das so?
Speaker 2 [00:51:54]
Ja.
Speaker 1 [00:51:56]
Welche Beziehung hast du denn zu Serbien und Mazedonien? Ist das auch eine deine Heimat?
Speaker 2 [00:52:02]
Eine Heimat würde ich nicht behaupten. Nein, das ist halt die Heimat meiner Eltern. Zwischenzeitlich ist jetzt [Stadt 1 in Deutschland] deren Wahlheimat, aber aufgrund dessen, dass wir halt jedes Jahr in den Sommerferien für mehrere Wochen da waren, fühle ich mich den beiden Ländern schon sehr verbunden. So mag ich die Kultur da vor Ort. Die Menschen vor Ort habe ich schon sehr lieben gelernt. Aber als meine Heimat würde ich das nicht bezeichnen, weil ich da nie länger als ein paar Wochen war.
Speaker 1 [00:52:50]
Okay. Wir kommen langsam zum Abschluss. Jetzt rückwirkend, wenn du darüber nachdenkst, was meinst du, hat deinen Lebensweg am meisten geprägt?
Speaker 2 [00:53:15]
[kurze Pause] Ähm, die Erziehung meiner Eltern. [kurze Pause] Das hat meinen Lebensweg am meisten geprägt. Ähm. [längere Pause, überlegt] Ich hatte keine Ereignisse in meinem Leben, negative, wo ich gesagt habe: Nee, das will ich nicht so machen, sondern irgendwie anders rum oder aufgrund von übermäßiger Diskriminierung oder Benachteiligung. Das habe ich, Gott sei Dank, nicht in dem Maße erlebt, wie das viele andere in Deutschland erlebt haben. Da habe ich schon sehr, sehr viel Glück gehabt. Sicherlich auch damit verbunden, dass ähm, meine Eltern mich da auch vernünftig erzogen haben.
Speaker 1 [00:54:14]
Aufgeklärt?
Speaker 2 [00:54:14]
Ja.
Speaker 1 [00:54:15]
Bestärkt?
Speaker 2 [00:54:15]
Ja, ganz genau. Die haben mich darin bestärkt, aufgeklärt. Nie, weil ich irgendwie eine bestimmte Situation hatte oder als Reaktion auf irgendwas, sondern prophylaktisch schon irgendwie. Ähm, ich glaube, dass es nicht unbedingt bewusst war von denen. Kann sein, ich weiß, da müsste ich die noch fragen, ob das bewusst war. Aber so Charaktereigenschaften oder die allgemeine Erziehung, die ich genossen habe, hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin. [kurze Pause] Und das hat mich halt enorm geprägt.
Speaker 1 [00:55:01]
Gibt es etwas, jetzt im Nachhinein, was du vielleicht anders machen, ähm würdest?
Speaker 2 [00:55:08]
In meiner Erziehung?
Speaker 1 [00:55:09]
Nein. Was dein Lebensweg bis jetzt hin…
Speaker 2 [00:55:17]
[kurze Pause] Ne, tatsächlich ähm, [kurze Pause] Ne. Ich würde eigentlich nichts anders machen. Was heißt nichts? Es gibt sicherlich das eine oder andere, ähm, wo ich mal auf die Nase geflogen bin, aber daran bin ich gewachsen und habe es dann halt nicht mehr gemacht. Aber die Entscheidungen, die ich für mich getroffen habe oder eben meine Eltern für mich getroffen haben, die waren durchweg so positiv, dass ich das nicht ändern wollen würde. Ich kann mir das nicht anders vorstellen. Ich bin ziemlich glücklich mit dem, was aus mir geworden ist, was ich mache. Ähm, was ich bisher gemacht habe. Ich habe jetzt nichts angestellt, was ich unheimlich bereue und von daher, [kurze Pause] würde ich eigentlich nichts ändern wollen in meinem Leben.
Speaker 1 [00:56:23]
[kurze Pause] Okay. Gibt es noch etwas, was du gerne über dein Leben erzählen würdest, das wir nicht thematisiert haben?
Speaker 2 [00:56:42]
Ähm. [längere Pause] Schulische Laufbahn hatten wir.
Speaker 1 [00:56:45]
Heirat, Arbeit.
Speaker 2 [00:56:46]
Heirat, Arbeit, Eltern, Geschwister.
Speaker 1 [00:56:50]
Freunde.
Speaker 2 [00:56:52]
Freunde. Nö, alles besprochen.
Speaker 1 [00:56:59]
Okay, dann bedanke ich mich für das Interview.
Speaker 2 [00:57:03]
Ich danke.